TY - JOUR
T1 - Zur wirksamkeit von stationärer medizinischer rehabilitation in Deutschland bei chronischen rückenschmerzen: Aktualisierung und methodenkritische diskussion einer literaturübersicht
AU - Hüppe, Angelika
AU - Raspe, H.
PY - 2005/2
Y1 - 2005/2
N2 - Hintergrund: Das SGB IX hat die Fragen nach Wirksamkeit und Nutzen unseres Systems der medizinischen Rehabilitation (einer komplexen multimodalen, multidisziplinären und verhaltensmedizinisch orientierten Behandlungsmethode) intensiviert, auch - aber nicht nur - in Hinblick auf chronische Rückenschmerzen. Auf diese Indikationsgruppe entfielen 2002 rund 29 % aller medizinischen und sonstigen Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung. In einer systematischen Literaturübersicht wurde für den Zeitraum 1980 bis Mitte 2001 eine möglichst vollständige Erfassung und Bewertung von bislang in Deutschland durchgeführten Studien zu den Effekten stationärer medizinischer Rehabilitation bei chronischen Rückenschmerzen vorgelegt. Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, diese Übersicht bis Ende 2003 zu aktualisieren und kritisch zu diskutieren. Methodik: In enger Anlehnung an das Vorgehen im ersten Review erfolgten eine mehrgleisige Studiensuche (elektronische Datenbanken, Handsuche, Befragung), eine Bewertung der methodischen Studienqualität (nach Empfehlungen der Cochrane Back Review Group) und die Extraktion von zentralen Studienmerkmalen. Für sechs Outcomeparameter wurden Effektstärken nach einer Formel für Prä-Post-Vergleiche berechnet und mit prognostisch relevanten Studien- und Probandenmerkmalen in Beziehung gesetzt. Die Einzeleffektstärken wurden zu kurz- wie längerfristigen Gesamt-Effektstärken zusammengefasst und mit den Befunden aus internationalen Studien verglichen. Ergebnisse: Die Literatursuche für den Zeitraum Juli 2001 bis Dezember 2003 führte zum Einschluss von 16 Untersuchungen. Kontrollierte Studien, die bei chronischen Rückenschmerzen kurz- und längerfristige Effekte einer stationären multimodalen Behandlung mit „keiner” Behandlung bzw. der „normalen” medizinischen Grundversorgung vor Ort vergleichen, fehlen weiterhin. Eine Steigerung der Studienqualität war im Vergleich zum Vorzeitraum nicht zu beobachten. Kurzfristig werden je nach Outcomeparameter kleine (z. B. Funktionskapazität) bis große Effekte (z. B. Vitalität) erzielt. Verglichen mit den älteren Studien liegen die Gesamteffektstärken der neueren Studien teils höher (z. B. Depressivität), teils niedriger (z. B. Schmerzintensität) oder auf gleichem Niveau (Katastrophisieren). Die mittelfristigen Gesamteffektstärken fallen in den neuen Studien bei fünf der sechs Parameter geringer aus und erreichen höchstens kleine positive Effekte. Diskussion und Schlussfolgerung: Die Größe der beobachteten längerfristigen Effekte weist auf ein Grundproblem der stationären medizinischen Rehabilitation bei chronischen Rückenschmerzen hin: eine unbefriedigende Nachhaltigkeit. Der Vergleich mit internationalen Befunden eines Cochrane-Reviews unterstreicht diesen Befund. Unter zwei Gesichtspunkten wird dieses Problem diskutiert: Zum einen werden verschiedene inhaltliche Gründe für eine geringe Nachhaltigkeit angeführt, zum anderen werden aus methodischer Sicht unterschiedliche Varianten einer „maskierten” Nachhaltigkeit identifiziert. Überzeugende Evidenz für eine generelle Wirksamkeit stationärer Rehabilitation bei chronischen Rückenschmerzen lässt sich auch nach den neuesten nationalen Studien nicht finden.
AB - Hintergrund: Das SGB IX hat die Fragen nach Wirksamkeit und Nutzen unseres Systems der medizinischen Rehabilitation (einer komplexen multimodalen, multidisziplinären und verhaltensmedizinisch orientierten Behandlungsmethode) intensiviert, auch - aber nicht nur - in Hinblick auf chronische Rückenschmerzen. Auf diese Indikationsgruppe entfielen 2002 rund 29 % aller medizinischen und sonstigen Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung. In einer systematischen Literaturübersicht wurde für den Zeitraum 1980 bis Mitte 2001 eine möglichst vollständige Erfassung und Bewertung von bislang in Deutschland durchgeführten Studien zu den Effekten stationärer medizinischer Rehabilitation bei chronischen Rückenschmerzen vorgelegt. Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, diese Übersicht bis Ende 2003 zu aktualisieren und kritisch zu diskutieren. Methodik: In enger Anlehnung an das Vorgehen im ersten Review erfolgten eine mehrgleisige Studiensuche (elektronische Datenbanken, Handsuche, Befragung), eine Bewertung der methodischen Studienqualität (nach Empfehlungen der Cochrane Back Review Group) und die Extraktion von zentralen Studienmerkmalen. Für sechs Outcomeparameter wurden Effektstärken nach einer Formel für Prä-Post-Vergleiche berechnet und mit prognostisch relevanten Studien- und Probandenmerkmalen in Beziehung gesetzt. Die Einzeleffektstärken wurden zu kurz- wie längerfristigen Gesamt-Effektstärken zusammengefasst und mit den Befunden aus internationalen Studien verglichen. Ergebnisse: Die Literatursuche für den Zeitraum Juli 2001 bis Dezember 2003 führte zum Einschluss von 16 Untersuchungen. Kontrollierte Studien, die bei chronischen Rückenschmerzen kurz- und längerfristige Effekte einer stationären multimodalen Behandlung mit „keiner” Behandlung bzw. der „normalen” medizinischen Grundversorgung vor Ort vergleichen, fehlen weiterhin. Eine Steigerung der Studienqualität war im Vergleich zum Vorzeitraum nicht zu beobachten. Kurzfristig werden je nach Outcomeparameter kleine (z. B. Funktionskapazität) bis große Effekte (z. B. Vitalität) erzielt. Verglichen mit den älteren Studien liegen die Gesamteffektstärken der neueren Studien teils höher (z. B. Depressivität), teils niedriger (z. B. Schmerzintensität) oder auf gleichem Niveau (Katastrophisieren). Die mittelfristigen Gesamteffektstärken fallen in den neuen Studien bei fünf der sechs Parameter geringer aus und erreichen höchstens kleine positive Effekte. Diskussion und Schlussfolgerung: Die Größe der beobachteten längerfristigen Effekte weist auf ein Grundproblem der stationären medizinischen Rehabilitation bei chronischen Rückenschmerzen hin: eine unbefriedigende Nachhaltigkeit. Der Vergleich mit internationalen Befunden eines Cochrane-Reviews unterstreicht diesen Befund. Unter zwei Gesichtspunkten wird dieses Problem diskutiert: Zum einen werden verschiedene inhaltliche Gründe für eine geringe Nachhaltigkeit angeführt, zum anderen werden aus methodischer Sicht unterschiedliche Varianten einer „maskierten” Nachhaltigkeit identifiziert. Überzeugende Evidenz für eine generelle Wirksamkeit stationärer Rehabilitation bei chronischen Rückenschmerzen lässt sich auch nach den neuesten nationalen Studien nicht finden.
UR - http://www.scopus.com/inward/record.url?scp=14044264783&partnerID=8YFLogxK
U2 - 10.1055/s-2004-834602
DO - 10.1055/s-2004-834602
M3 - Übersichtsarbeiten
C2 - 15668849
AN - SCOPUS:14044264783
VL - 44
SP - 24
EP - 33
JO - Rehabilitation (Germany)
JF - Rehabilitation (Germany)
SN - 0034-3536
IS - 1
ER -