Abstract
Die Verhaltenstherapie[1] nimmt seit den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine immer dominierendere Rolle in der Psychotherapieforschung ein und stellt heute das bestevaluierte Verfahren dar. Es ist deshalb umso erstaunlicher, dass dieses Psychotherapieverfahren erst seit 1980 in Deutschland als kassenärztliche Leistung anerkannt wurde. Die Verhaltenstherapie als kassenärztliche Leistung feiert somit 30-jähriges Jubiläum – Grund genug, ihr einen historischen Rückblick zu widmen, wie dies Glückler und Mitarbeiter in diesem Heft der Fortschritte tun [1]. Dabei muss man sagen, dass die Einführung der Verhaltenstherapie in das kassenärztliche Versorgungssystem eine Erfolgsgeschichte darstellt. Die meisten psychologischen Psychotherapeuten sind verhaltenstherapeutisch orientiert, und auch innerhalb der ärztlichen Psychotherapie nimmt sie einen immer breiteren Raum ein – ganz besonders an den Universitätskliniken für Psychiatrie und Psychotherapie, aber in zunehmendem Maße auch an den anderen Versorgungskliniken. Bis der Bereich der niedergelassenen ärztlichen Psychotherapeuten erreicht wird, werden noch einige Jahre vergehen, da die meisten Ärzte für psychotherapeutische Medizin bzw. Ärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie und die sogenannten „Zusatztitler” tiefenpsychologisch ausgebildet wurden. Aber auch hier deutet sich ein Wandel hin zur Verhaltenstherapie an.
Was sind die Ursachen für diese „Erfolgsgeschichte”? Im wissenschaftlichen Bereich profitiert die Verhaltenstherapie von ihrer Herkunft als empirisch begründetes Therapieverfahren. Die „Gründerväter” haben die einzelnen Interventionen aus dem psychologischen Experiment und von lerntheoretischen Modellen hergeleitet. Auch nach der sogenannten „kognitiven Wende” und nach Einführung der sogenannten multimodalen Verhaltenstherapie, die sich immer stärker einer strikten empirischen Überprüfung der modellhaften Grundannahmen entzogen, profitierte die verhaltenstherapeutische Evaluationsforschung im Gegensatz zur Tiefenpsychologie von manualisierten Konzepten, die die Grundlage evidenzbasierter Psychotherapieentwicklung darstellten. Die Integration kognitiver Konzepte mit den daraus abgeleiteten Interventionstechniken sowie die Einbettung der Verhaltenstherapie in gesellschaftliche Zusammenhänge haben aus den einfachen, aus simplifizierenden lerntheoretischen Konzepten hergeleiteten Interventionsmethoden eine differenzierte und trotz Manualisierung individuell auf die Bedürfnisse des individuellen Patienten zugeschnittene psychotherapeutische Grundorientierung gemacht. Die in den Anfangsjahren immer wieder vorgebrachten Vorurteile, die Verhaltenstherapie gehe zu reduktionistisch vor und werde dem Menschen in seiner Vielschichtigkeit nicht gerecht, können angesichts der komplexen kognitiven und lerntheoretischen Modelle und angesichts der differenzierten Interventionsmöglichkeiten, die der modernen Verhaltenstherapie zur Verfügung stehen, in keinster Weise aufrechterhalten werden. Dabei war es immer ein Merkmal der Verhaltenstherapie, sich nicht auf ein Grundmodell festlegen zu lassen, sondern sie zeigt gerade in der „dritten Welle der Verhaltenstherapie” [2] eine Wandlungsfähigkeit, die viele ihr nicht zugetraut hätten und die manche gestandene Verhaltenstherapeuten auch skeptisch macht. So stehen heute metakognitive Therapie, Spiritualität und Achtsamkeit, abgeleitet aus buddhistischer Meditationspraxis, Emotionsmanagement, beziehungstheoretische Modelle bis hin zu zaghafter Annäherung an „unbewusste Prozesse” im Fokus der „dritten Welle der Verhaltenstherapie”. Positiv formuliert ist die Verhaltenstherapie immer allen Anregungen aus Nachbardisziplinen gegenüber offen gewesen. Skeptisch formuliert müssen sich Verhaltenstherapeuten fragen lassen, ob alles, was in der „dritten Welle der Verhaltenstherapie” aufgegriffen wird, mit den wissenschaftlichen Grundprinzipien der ursprünglichen Verhaltenstherapie noch kompatibel ist. In diesem Spannungsfeld wird sich die wissenschaftliche und klinische Diskussion innerhalb der Verhaltenstherapie und mit den Nachbardisziplinen bewegen. Diese Diskussion wird auch Auswirkungen auf die Aus- und Weiterbildungspraxis haben. Zurzeit werden erste Aus- und Weiterbildungsmodelle diskutiert, die das sichere Terrain der Grundorientierung verlassen und die Psychotherapeutenausbildung auf empirisch abgesicherte schulenübergreifende Grundkenntnisse und Fertigkeiten herunterbrechen, die in Modulform gelernt und auf die spezifischen Bedürfnisse des Patienten angewendet werden können. Eine spannende Diskussion steht uns bevor, die nicht nur Relevanz für die Verhaltenstherapie, sondern für die gesamte Psychotherapieforschung haben wird.
Was sind die Ursachen für diese „Erfolgsgeschichte”? Im wissenschaftlichen Bereich profitiert die Verhaltenstherapie von ihrer Herkunft als empirisch begründetes Therapieverfahren. Die „Gründerväter” haben die einzelnen Interventionen aus dem psychologischen Experiment und von lerntheoretischen Modellen hergeleitet. Auch nach der sogenannten „kognitiven Wende” und nach Einführung der sogenannten multimodalen Verhaltenstherapie, die sich immer stärker einer strikten empirischen Überprüfung der modellhaften Grundannahmen entzogen, profitierte die verhaltenstherapeutische Evaluationsforschung im Gegensatz zur Tiefenpsychologie von manualisierten Konzepten, die die Grundlage evidenzbasierter Psychotherapieentwicklung darstellten. Die Integration kognitiver Konzepte mit den daraus abgeleiteten Interventionstechniken sowie die Einbettung der Verhaltenstherapie in gesellschaftliche Zusammenhänge haben aus den einfachen, aus simplifizierenden lerntheoretischen Konzepten hergeleiteten Interventionsmethoden eine differenzierte und trotz Manualisierung individuell auf die Bedürfnisse des individuellen Patienten zugeschnittene psychotherapeutische Grundorientierung gemacht. Die in den Anfangsjahren immer wieder vorgebrachten Vorurteile, die Verhaltenstherapie gehe zu reduktionistisch vor und werde dem Menschen in seiner Vielschichtigkeit nicht gerecht, können angesichts der komplexen kognitiven und lerntheoretischen Modelle und angesichts der differenzierten Interventionsmöglichkeiten, die der modernen Verhaltenstherapie zur Verfügung stehen, in keinster Weise aufrechterhalten werden. Dabei war es immer ein Merkmal der Verhaltenstherapie, sich nicht auf ein Grundmodell festlegen zu lassen, sondern sie zeigt gerade in der „dritten Welle der Verhaltenstherapie” [2] eine Wandlungsfähigkeit, die viele ihr nicht zugetraut hätten und die manche gestandene Verhaltenstherapeuten auch skeptisch macht. So stehen heute metakognitive Therapie, Spiritualität und Achtsamkeit, abgeleitet aus buddhistischer Meditationspraxis, Emotionsmanagement, beziehungstheoretische Modelle bis hin zu zaghafter Annäherung an „unbewusste Prozesse” im Fokus der „dritten Welle der Verhaltenstherapie”. Positiv formuliert ist die Verhaltenstherapie immer allen Anregungen aus Nachbardisziplinen gegenüber offen gewesen. Skeptisch formuliert müssen sich Verhaltenstherapeuten fragen lassen, ob alles, was in der „dritten Welle der Verhaltenstherapie” aufgegriffen wird, mit den wissenschaftlichen Grundprinzipien der ursprünglichen Verhaltenstherapie noch kompatibel ist. In diesem Spannungsfeld wird sich die wissenschaftliche und klinische Diskussion innerhalb der Verhaltenstherapie und mit den Nachbardisziplinen bewegen. Diese Diskussion wird auch Auswirkungen auf die Aus- und Weiterbildungspraxis haben. Zurzeit werden erste Aus- und Weiterbildungsmodelle diskutiert, die das sichere Terrain der Grundorientierung verlassen und die Psychotherapeutenausbildung auf empirisch abgesicherte schulenübergreifende Grundkenntnisse und Fertigkeiten herunterbrechen, die in Modulform gelernt und auf die spezifischen Bedürfnisse des Patienten angewendet werden können. Eine spannende Diskussion steht uns bevor, die nicht nur Relevanz für die Verhaltenstherapie, sondern für die gesamte Psychotherapieforschung haben wird.
Translated title of the contribution | Behaviour therapy a changing psychotherapeutic approach |
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Original language | German |
Journal | Fortschritte der Neurologie Psychiatrie |
Volume | 78 |
Issue number | 11 |
Pages (from-to) | 631 |
Number of pages | 1 |
ISSN | 0720-4299 |
DOIs | |
Publication status | Published - 2010 |
Research Areas and Centers
- Academic Focus: Center for Brain, Behavior and Metabolism (CBBM)