TY - JOUR
T1 - Rheumaepidemiologie in Europa
AU - Raspe, Heiner
PY - 1992/7
Y1 - 1992/7
N2 - Der Aufsatz beschreibt Stand und Potential der Rheumaepidemiologie in Europa am Beispiel der chronischen Polyarthritis (cP) und ihrer Versorgung sowie der Fibromyalgie (FMA). Vorher wird die Entwicklung der Disziplin in den letzten 40 Jahren skizziert. Wesentliche Beiträge europäischer Rheumatologen und Epidemiologen beziehen sich bei der cP auf eine differenzierte Nosologie, eine langjährige Verlaufsbeobachtung und Prognostik, auf die Dimensionierung und Messung ihrer Folgen und auf die Analyse ihrer möglicherweise abnehmenden Inzidenz und/oder Schwere. In einer eigenen populationsepidemiologischen Studie wurden erstmals die 1987 revidierten ARA-Kriterien der cP angewandt und auf ihre zeitliche Stabilität geprüft. Unter 11 534 deutschen Einwohnern Hannovers im Alter von 25 bis 74 Jahren identifizierten wir 58 mit einer cP bzw. undifferenzierten Arthritis (geschätzte wahre Prävalenz 0,83%, Prävalenz der cP nach ROM-Kriterien 0,53%, nach ARA-Kriterien 1987 0,33%). 39 Kranke konnten nach im Mittel 29 Monaten nachuntersucht werden. Von 25 eingangs nach den 1987 revidierten ARA-Kriterien definierten cP-Kranken behielten nur 9 (36%) ihren nosologischen Status. Die Versorgung aller 58 Kranken war nach rheumatologischen Kriterien oft nicht adäquat. Die FMA wurde etwa gleichzeitig in Kanada (H. Smythe) und in Deutschland bzw. der Schweiz (W. Müller) beschrieben, hier unter dem Begriff der generalisierten Tendomyopathie. Während es das Verdienst der nordamerikanischen Rheumatologen ist, Kriterien für die FMA entwickelt und operationalisiert zu haben, liegen jetzt die ersten bevölkerungsepidemiologischen Daten aus Europa vor. Nach Jacobsson (Schweden) untersuchten wir in Bad Säckingen 541 deutsche Einwohner im Alter von 25 bis 74 Jahren. Wir fanden 10 Probanden mit der Anamnese eines ausgebreiteten Schmerzmusters, mit 17 oder mehr (von 34) aktiven Schmerzpunkten und mit höchstens 2 (von 10) aktiven Kontrollpunkten. Nach diesen Kriterien ergibt sich eine Minimalprävalenz von 1,9% und eine geschätzte wahre Prävalenz von 3,0% (95%-KI 1,6 bis 4,4%). Allerdings ergaben sich im Verlaufe der Untersuchung mehrere nosologische und nosographische Probleme, die die FMA als spezifisch rheumatologische Störung und ihre Abgrenzung im Spektrum weichteilrheumatischer Störungen unsicher machen.
AB - Der Aufsatz beschreibt Stand und Potential der Rheumaepidemiologie in Europa am Beispiel der chronischen Polyarthritis (cP) und ihrer Versorgung sowie der Fibromyalgie (FMA). Vorher wird die Entwicklung der Disziplin in den letzten 40 Jahren skizziert. Wesentliche Beiträge europäischer Rheumatologen und Epidemiologen beziehen sich bei der cP auf eine differenzierte Nosologie, eine langjährige Verlaufsbeobachtung und Prognostik, auf die Dimensionierung und Messung ihrer Folgen und auf die Analyse ihrer möglicherweise abnehmenden Inzidenz und/oder Schwere. In einer eigenen populationsepidemiologischen Studie wurden erstmals die 1987 revidierten ARA-Kriterien der cP angewandt und auf ihre zeitliche Stabilität geprüft. Unter 11 534 deutschen Einwohnern Hannovers im Alter von 25 bis 74 Jahren identifizierten wir 58 mit einer cP bzw. undifferenzierten Arthritis (geschätzte wahre Prävalenz 0,83%, Prävalenz der cP nach ROM-Kriterien 0,53%, nach ARA-Kriterien 1987 0,33%). 39 Kranke konnten nach im Mittel 29 Monaten nachuntersucht werden. Von 25 eingangs nach den 1987 revidierten ARA-Kriterien definierten cP-Kranken behielten nur 9 (36%) ihren nosologischen Status. Die Versorgung aller 58 Kranken war nach rheumatologischen Kriterien oft nicht adäquat. Die FMA wurde etwa gleichzeitig in Kanada (H. Smythe) und in Deutschland bzw. der Schweiz (W. Müller) beschrieben, hier unter dem Begriff der generalisierten Tendomyopathie. Während es das Verdienst der nordamerikanischen Rheumatologen ist, Kriterien für die FMA entwickelt und operationalisiert zu haben, liegen jetzt die ersten bevölkerungsepidemiologischen Daten aus Europa vor. Nach Jacobsson (Schweden) untersuchten wir in Bad Säckingen 541 deutsche Einwohner im Alter von 25 bis 74 Jahren. Wir fanden 10 Probanden mit der Anamnese eines ausgebreiteten Schmerzmusters, mit 17 oder mehr (von 34) aktiven Schmerzpunkten und mit höchstens 2 (von 10) aktiven Kontrollpunkten. Nach diesen Kriterien ergibt sich eine Minimalprävalenz von 1,9% und eine geschätzte wahre Prävalenz von 3,0% (95%-KI 1,6 bis 4,4%). Allerdings ergaben sich im Verlaufe der Untersuchung mehrere nosologische und nosographische Probleme, die die FMA als spezifisch rheumatologische Störung und ihre Abgrenzung im Spektrum weichteilrheumatischer Störungen unsicher machen.
UR - http://www.scopus.com/inward/record.url?scp=0026661921&partnerID=8YFLogxK
U2 - 10.1007/BF01624572
DO - 10.1007/BF01624572
M3 - Zeitschriftenaufsätze
C2 - 1414018
AN - SCOPUS:0026661921
SN - 0303-8408
VL - 37
SP - 168
EP - 178
JO - Sozial- und Präventivmedizin SPM
JF - Sozial- und Präventivmedizin SPM
IS - 4
ER -