Abstract
Hintergrund
Seit Jahrzehnten besteht die Möglichkeit einer organerhaltenden Behandlung des muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms durch transurethrale Tumorresektion (TUR) und Radiochemotherapie (RCT). In den Patienteninformationen der Deutschen Krebshilfe (den „Blauen Ratgebern“) wird diese Therapie als äquieffektive Alternative zur Zystektomie dargestellt [4]. Dennoch machen die Urologen von dieser Option wenig Gebrauch. Dass das an den Patienten liegt, die eine Zystektomie als primäre Therapie bevorzugen, ist kaum vorstellbar. Vermutlich besteht einfach ein Informationsdefizit der behandelnden Ärzte. Es ist daher wichtig, immer wieder auf dieses Therapiekonzept, das 1982 von den Erlangern Alfred Sigel (Urologie) und Rolf Sauer (Radioonkologie) eingeführt wurde, hinzuweisen und aktuelle Daten zu publizieren, zumal der zusätzliche Einsatz der regionalen Tiefenhyperthermie zur RCT einen Prognosesprung verspricht. Die Kollegen des Universitätsklinikums Erlangen machen das und haben kürzlich überzeugende Langzeitdaten vorgelegt [7].
Patienten und Methode
Zwischen 1982 und 2016 wurden an der Strahlenklinik der Universität Erlangen-Nürnberg 664 Patienten mit einem Blasenkarzinom lediglich noch transurethral reseziert, also primär nicht mehr zystektomiert, sondern mit dem Ziel des Organerhalts anschließend nur noch bestrahlt, später radiochemotherapiert und in den letzten Jahren noch zusätzlich hyperthermiert. Für die hier kommentierte Analyse wurden die Therapieergebnisse bei 369 Patienten mit oberflächlichen High-risk-Tumoren (pTa, pTis, pT1, jeweils mit Indikation zur Zystektomie) und T2-Tumoren untersucht, fortgeschrittene Tumoren (cT3–4) aber ausgeschlossen. Ziel war eine organ- und funktionserhaltende Therapie bei Patienten mit der herkömmlichen Indikation zur Zystektomie.
Das Therapiekonzept bestand aus einer transurethralen Resektion (TUR mit dem Ziel einer R0-TUR) und einer Radiotherapie sowie anschließenden Salvage-Zystektomie bei Rest- oder Rezidivtumor. Die Radiotherapie war von 1982 bis 1985 eine alleinige Strahlentherapie (RT), ab 1985 eine simultane Radiochemotherapie (RCT) mit Cisplatin, später zusätzlich 5‑FU, also eine nur strahlensensibilisierende Chemotherapie während der Radiotherapie (keine neoadjuvante oder adjuvante Chemotherapie). Die Strahlendosis betrug 50,4 Gy im Bereich der Blase und der regionalen Lymphknoten in Einzeldosen von 5‑mal wöchentlich 1,80 Gy, gefolgt von einem Boost auf die Harnblase bis 55,8 Gy nach R0-TUR bzw. bis zu einer Gesamtdosis von 59,4 Gy bei Residualtumor (R1–2 nach TUR). Ab 2005 wurde während der Strahlentherapie zusätzlich 1‑mal wöchentlich eine regionale Tiefenhyperthermie mit einem BSD-2000-3D/PC-Hyperthermie-System (RCT + RHT) durchgeführt. Das mediane Follow-up betrug 71 Monate.
Ergebnisse
290 von 369 Patienten (83 %) erlebten eine komplette Tumorremission bei der Kontroll-TUR 6 Wochen nach Radiotherapie. Die CR-Rate betrug 68 % nach alleiniger Radiotherapie, 86 % nach Radiochemotherapie und 87 % nach Radiochemotherapie plus Hyperthermie (p = 0,037). Das 5‑Jahres-Überleben betrug 45 % nach RT, 64 % nach RCT und 87 % nach RCT + RHT. 55 Patienten wurden im Verlauf v. a. wegen Rezidiv oder Zweittumor zystektomiert. Nach 5 Jahren wurde ein Blasenerhalt bei 82 % der Patienten nach Radiochemotherapie und bei 96 % nach Radiochemotherapie plus Hyperthermie erreicht; nach 10 Jahren betrugen diese Werte 78 % bzw. 96 %. Die meisten Patienten vertrugen die Therapie (RT oder RCT) gut. Eine Akuttoxizität Grad 3 und 4 betraf fast nur hämatologische Nebenwirkungen (Leukopenie Grad 3: 25 %, Thrombopenie: 6 %, Grad 4: Leukopenie 4 %). Die Grad-3-Nebenwirkungen der Strahlentherapie als radiogene Zystitis betrafen 6 % der Patienten. Die Spättoxizität war gering: 61 % Grad 0 bei RCT, 32 % Grad 0 bei RCT + RHT. Relevante Spätfolgen betrafen Zystektomien wegen Blasenschrumpfung (2 %, n = 6) und eine reduzierte Blasenkapazität <200 ml (10 %), 5 Patienten entwickelten operationspflichtige Darmstenosen.
Schlussfolgerungen der Autoren
Die multimodale organ- und funktionserhaltende Therapie, bestehend aus TUR und Radiochemotherapie, ist bei Harnblasenkarzinomen sehr erfolgreich. Die erreichten Überlebensraten sind zumindest so gut wie nach Zystektomie. Dabei können 4 von 5 Patienten eine funktionsfähige Blase behalten. Die Hinzunahme der regionalen Tiefenhyperthermie verbessert die Erfolgsaussicht auf einen Blasenerhalt zusätzlich.
Translated title of the contribution | Organ-preserving treatment of bladder cancer |
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Original language | German |
Journal | Strahlentherapie und Onkologie : Organ der Deutschen Rontgengesellschaft ... [et al] |
Volume | 196 |
Issue number | 6 |
Pages (from-to) | 576-578 |
Number of pages | 3 |
ISSN | 0179-7158 |
DOIs | |
Publication status | Published - 01.06.2020 |