Abstract
Ein 82-jähriger Patient mit Petechien und kleineren Hämatomen wurde aufgrund einer vom Hausarzt diagnostizierten schweren Thrombozytopenie eingewiesen. Das Aufnahmelabor bestätigte die extreme Thrombozytopenie mit Werten von aktuell 5/nl. Die weiteren Parameter des Blutbilds sowie die klinisch-chemischen Laborparameter lagen im Referenzbereich. Bis auf die Petechien und Hämatome insbesondere an den Unterschenkeln lag ein unauffälliger Untersuchungsbefund vor. Der Patient war beschwerdefrei, und die Anamnese für die zurückliegenden Wochen und Monate erwies sich ebenfalls als unauffällig. Insbesondere wurde eine Medikamenteneinnahme verneint, und der Patient konnte sich auch nicht an einen Infekt in den letzten Wochen erinnern. Die sofort durchgeführte Knochenmarkpunktion mit Aspirationszytologie zeigte bei sonst unauffälligem Markbefund leicht vermehrte Megakaryozyten mit Überwiegen von kleinen jugendlichen Formen. Die vorliegenden Befunde erlaubten die Verdachtsdiagnose einer idiopathischen thrombozytopenischen Purpura (ITP – Morbus Werlhof). Trotz inkompletter Diagnostik wurde aufgrund der Schwere der Thrombozytopenie sofort mit einer Medikation von 100 mg Prednisolon oral (ca. 1,5 mg/kg Körpergewicht [KG]) begonnen. Die weitere Labordiagnostik zeigte eine vermehrte IgG-Beladung der Thrombozyten ohne Nachweis freier thrombozytärer Antikörper. Dieser Befund ist mit einer ITP gut vereinbar, beweist sie aber keineswegs. Weiter wurde in der Sonographie eine vergrößerte Milz von 180 × 65 mm gesehen. Dieser Befund einer mäßig vergrößerten Milz ist für eine ITP nicht typisch, wurde aber zunächst ignoriert. Im Übrigen war der Ultraschallbefund des Abdomens unauffällig. Wichtig für die spätere kritische Aufarbeitung dieses Falls war allerdings die Befundanmerkung, dass der Mittelbauch wegen Gasüberlagerung nicht ausreichend einsehbar war.
Die hochdosierte Prednisolontherapie erbrachte innerhalb von 5 Tagen keinerlei Thrombozytenanstieg. Es wurde daher parallel zur Prednisolontherapie über 4 Tage eine 7s-IgG-Therapie mit täglich 0,4 g/kg KG durchgeführt. Auch hierunter wurde nur ein Thrombozytenanstieg auf maximal 19/nl mit einem erneuten raschen Abfall auf ca. 5/nl innerhalb weniger Tage beobachtet. So drängte sich aufgrund des zunächst nicht ausreichend beachteten Befunds einer deutlichen Splenomegalie der Verdacht auf, dass eine mit einer malignen lymphatischen Grunderkrankung assoziierte Immunthrombozytopenie vorliegen könnte. Die computertomographische Untersuchung von Thorax und Abdomen ließ in dem für den Ultraschall zuvor schlecht einsehbaren Bereich im Abdomen eine große Raumforderung von 7 × 9 cm im Mesenterium erkennen, die hochgradig lymphomverdächtig erschien. In einer zusätzlich durchgeführten Beckenstanze war neben den bereits zytologisch gesehenen Veränderungen eine diskrete kleinherdige Infiltration durch ein Lymphom erkennbar, das unter Einbeziehung der Immunhistochemie als follikuläres Lymphom, wahrscheinlich Grad 2, identifiziert werden konnte. So war die schwere Thrombozytopenie des 82-jährigen Patienten als lymphomassoziierte Immunthrombozytopenie einzustufen.
Die Therapie erfolgte mit dem heute üblichen Standardschema R-CHOP, das aus dem gegen das CD20-Epitop von B-Lymphozyten gerichteten Antikörper Rituximab sowie den Zytostatika Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednisolon besteht. Trotz der zytoreduktiven Wirkung dieser Chemotherapie stiegen die Thrombozyten innerhalb von 2 Wochen auf 35/nl an. Direkt vor Einleitung des dritten Therapiezyklus nach insgesamt 6 Wochen waren die Thrombozyten überschießend auf 402/nl angestiegen. Nach sechs Zyklen R-CHOP, die trotz des Alters des Patienten relativ problemlos durchführbar waren, konnte eine Vollremission gesichert werden. Diese Vollremission hält bis heute, 2 Jahre nach Therapieabschluss, an, und die Thrombozyten liegen jetzt konstant im unteren Referenzbereich.
Dieses Fallbeispiel zeigt, dass sich auch bei unauffälliger Klinik hinter einer ITP eine lymphomassoziierte Immunthrombozytopenie verbergen kann. Solche sekundären Immunthrombozytopenien sprechen auf die Standardtherapie nur selten ausreichend an, sondern zeigen sich erst nach erfolgreicher Therapie des zugrundeliegenden Lymphoms dauerhaft regredient.
Die hochdosierte Prednisolontherapie erbrachte innerhalb von 5 Tagen keinerlei Thrombozytenanstieg. Es wurde daher parallel zur Prednisolontherapie über 4 Tage eine 7s-IgG-Therapie mit täglich 0,4 g/kg KG durchgeführt. Auch hierunter wurde nur ein Thrombozytenanstieg auf maximal 19/nl mit einem erneuten raschen Abfall auf ca. 5/nl innerhalb weniger Tage beobachtet. So drängte sich aufgrund des zunächst nicht ausreichend beachteten Befunds einer deutlichen Splenomegalie der Verdacht auf, dass eine mit einer malignen lymphatischen Grunderkrankung assoziierte Immunthrombozytopenie vorliegen könnte. Die computertomographische Untersuchung von Thorax und Abdomen ließ in dem für den Ultraschall zuvor schlecht einsehbaren Bereich im Abdomen eine große Raumforderung von 7 × 9 cm im Mesenterium erkennen, die hochgradig lymphomverdächtig erschien. In einer zusätzlich durchgeführten Beckenstanze war neben den bereits zytologisch gesehenen Veränderungen eine diskrete kleinherdige Infiltration durch ein Lymphom erkennbar, das unter Einbeziehung der Immunhistochemie als follikuläres Lymphom, wahrscheinlich Grad 2, identifiziert werden konnte. So war die schwere Thrombozytopenie des 82-jährigen Patienten als lymphomassoziierte Immunthrombozytopenie einzustufen.
Die Therapie erfolgte mit dem heute üblichen Standardschema R-CHOP, das aus dem gegen das CD20-Epitop von B-Lymphozyten gerichteten Antikörper Rituximab sowie den Zytostatika Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednisolon besteht. Trotz der zytoreduktiven Wirkung dieser Chemotherapie stiegen die Thrombozyten innerhalb von 2 Wochen auf 35/nl an. Direkt vor Einleitung des dritten Therapiezyklus nach insgesamt 6 Wochen waren die Thrombozyten überschießend auf 402/nl angestiegen. Nach sechs Zyklen R-CHOP, die trotz des Alters des Patienten relativ problemlos durchführbar waren, konnte eine Vollremission gesichert werden. Diese Vollremission hält bis heute, 2 Jahre nach Therapieabschluss, an, und die Thrombozyten liegen jetzt konstant im unteren Referenzbereich.
Dieses Fallbeispiel zeigt, dass sich auch bei unauffälliger Klinik hinter einer ITP eine lymphomassoziierte Immunthrombozytopenie verbergen kann. Solche sekundären Immunthrombozytopenien sprechen auf die Standardtherapie nur selten ausreichend an, sondern zeigen sich erst nach erfolgreicher Therapie des zugrundeliegenden Lymphoms dauerhaft regredient.
Translated title of the contribution | Idiopathic thrombocytopenic purpura (Werlhof's disease) and its boundary from other thrombocytopenic hemorrhagic diatheses |
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Original language | German |
Journal | Medizinische Klinik |
Volume | 104 |
Issue number | 5 |
Pages (from-to) | 372-385 |
Number of pages | 14 |
ISSN | 0723-5003 |
DOIs | |
Publication status | Published - 05.2009 |