Abstract
100 Jahre Zeitschrift Strahlentherapie: Das ist nicht nur ein runder Geburtstag, sondern ein Erfolg für unser Fach in Deutschland und die Schriftleitung. Wir können als Mitglieder der DEGRO durchaus stolz sein auf diese Entwicklung.
Wenn ich die ersten Bände der Zeitschrift durchblättere (was ich gelegentlich und gern tue, um nach Zitaten und alten Hypothesen zu suchen), bin ich oft erstaunt über die wissenschaftliche Qualität vieler Arbeiten. Schon damals war die Forschung in unserem Fach im Vergleich zu anderen Disziplinen qualitativ hochwertig. Einige Themen und Arbeiten muten aus heutiger Sicht zwar antiquiert und unverständlich an; systematische klinische Studien waren selten, und die klinischen Berichte waren überwiegend Fallsammlungen unterschiedlichster Erkrankungen. Gutartige Erkrankungen der Haut und des Bindegewebes (z. B. auch Uterusmyome) standen im Vordergrund. Viele der Arbeiten beschäftigten sich mit der Lichttherapie dermatologischer Erkrankungen, die damals als Teil der Strahlentherapie angesehen wurde.
Andererseits betreffen viele Arbeiten schon in Band 1 der Zeitschrift die auch heute noch relevanten Aspekte unseres Fachs, nämlich Dosimetrie, biologische Strahlenwirkung, Methoden zur Optimierung der Strahlenapplikation und den Stellenwert der Strahlentherapie im multimodalen Kontext. Bereits im Jahr 1912 werden einige wesentliche Phänomene präzise beschrieben, auch wenn die Grundlagen noch nicht exakt bekannt waren. Zum Beispiel beschäftigen sich mehrere Arbeiten mit der Modifizierung der Strahlenwirkung durch Hitze, Kälte oder Strom (Zytostatika gab es noch nicht). Herr PD Dr. Werner aus Heidelberg schreibt in seiner Arbeit über Behandlung der malignen Tumoren: „Nach den Tierversuchen sind nämlich die Krebszellen gegen bestimmte Hitzegrade, die um 50–55°C liegen, empfindlicher als die normalen Körperzellen.“
Das Vermeiden von Nebenwirkungen spielt schon in den ersten Arbeiten eine wichtige Rolle. Methoden zum Schutz der nicht bestrahlten Körperregionen werden beschrieben. Die Diskrepanz zwischen akuten und chronischen Strahlenfolgen wird diskutiert. Einerseits war schon bekannt, dass bei Überschreiten der „Erythemdosis“ schwere und bleibende, verbrennungsartige Hautreaktionen resultieren. Andererseits waren Fälle bekannt, in denen Hautareale, die bereits ein Erythem gezeigt hatten, vollständig abheilten und später, nach langem Intervall, nochmals bestrahlt werden konnten. Auch das Problem der Sekundärmalignome war bereits 1912 (16 Jahre nach der ersten Strahlenanwendung!) bekannt. Herr PD Dr. Hans Meyer aus Kiel, der erste habilitierte Strahlentherapeut in Deutschland und Mitbegründer der Zeitschrift, weist in einer Arbeit über die Methodik der Röntgentherapie in der Gynäkologie darauf hin: „Wir wissen heute, dass schon nach einer einzigen schweren Reaktion der Haut, also nach einer heftigen Röntgendermatitis, sich noch nach Jahren der Zustand der Röntgenatrophie der Haut einstellen kann, ein Ereignis, dass nicht nur aus kosmetischen Gründen vermieden werden muss, sondern vor allem auch deswegen unsere volle Beachtung verdient, weil diese röntgenatrophischen Stellen, wie die Erfahrung lehrt, wenn auch nur in seltenen Ausnahmefällen, zu malignen Neubildungen prädisponieren können.“
Die erste Arbeit in der Zeitschrift (also Seite 1, Heft 1, Band 1) stammt von Hofrat Prof. v. Noorden aus Wien und lautet: „Die Bedeutung der Therapie mit radioaktiven Substanzen für die innere Medizin“. Am Ende der Arbeit kommt er zu folgenden Schlussfolgerungen: „Wir stehen erst am Anfang der radioaktiven Therapie. Wir werden sicher noch manche Enttäuschungen, aber sicher auch manche freudige Überraschung erleben. Die radioaktive Therapie soll und wird andere bewährte Heilmethoden nicht verdrängen, aber sie wird sicher neben ihnen einen angesehenen und allgemein anerkannten Platz erobern. Ehe dieses Ziel erreicht ist, steht noch viel Arbeit vor uns. Wir werden umso schneller und umso sicherer zu ihm gelangen, wenn wir einstweilen mehr die biologischen und pharmakologischen Voraussetzungen derselben als die unsicheren, dem subjektiven Urteil nicht entzogenen und nur durch breiteste und lange Erfahrung sicher zu stellenden unmittelbaren therapeutischen Wirkung studieren.“ Er hatte damals und hat auch noch heute Recht!
Prof. Dr. Jürgen Dunst
Wenn ich die ersten Bände der Zeitschrift durchblättere (was ich gelegentlich und gern tue, um nach Zitaten und alten Hypothesen zu suchen), bin ich oft erstaunt über die wissenschaftliche Qualität vieler Arbeiten. Schon damals war die Forschung in unserem Fach im Vergleich zu anderen Disziplinen qualitativ hochwertig. Einige Themen und Arbeiten muten aus heutiger Sicht zwar antiquiert und unverständlich an; systematische klinische Studien waren selten, und die klinischen Berichte waren überwiegend Fallsammlungen unterschiedlichster Erkrankungen. Gutartige Erkrankungen der Haut und des Bindegewebes (z. B. auch Uterusmyome) standen im Vordergrund. Viele der Arbeiten beschäftigten sich mit der Lichttherapie dermatologischer Erkrankungen, die damals als Teil der Strahlentherapie angesehen wurde.
Andererseits betreffen viele Arbeiten schon in Band 1 der Zeitschrift die auch heute noch relevanten Aspekte unseres Fachs, nämlich Dosimetrie, biologische Strahlenwirkung, Methoden zur Optimierung der Strahlenapplikation und den Stellenwert der Strahlentherapie im multimodalen Kontext. Bereits im Jahr 1912 werden einige wesentliche Phänomene präzise beschrieben, auch wenn die Grundlagen noch nicht exakt bekannt waren. Zum Beispiel beschäftigen sich mehrere Arbeiten mit der Modifizierung der Strahlenwirkung durch Hitze, Kälte oder Strom (Zytostatika gab es noch nicht). Herr PD Dr. Werner aus Heidelberg schreibt in seiner Arbeit über Behandlung der malignen Tumoren: „Nach den Tierversuchen sind nämlich die Krebszellen gegen bestimmte Hitzegrade, die um 50–55°C liegen, empfindlicher als die normalen Körperzellen.“
Das Vermeiden von Nebenwirkungen spielt schon in den ersten Arbeiten eine wichtige Rolle. Methoden zum Schutz der nicht bestrahlten Körperregionen werden beschrieben. Die Diskrepanz zwischen akuten und chronischen Strahlenfolgen wird diskutiert. Einerseits war schon bekannt, dass bei Überschreiten der „Erythemdosis“ schwere und bleibende, verbrennungsartige Hautreaktionen resultieren. Andererseits waren Fälle bekannt, in denen Hautareale, die bereits ein Erythem gezeigt hatten, vollständig abheilten und später, nach langem Intervall, nochmals bestrahlt werden konnten. Auch das Problem der Sekundärmalignome war bereits 1912 (16 Jahre nach der ersten Strahlenanwendung!) bekannt. Herr PD Dr. Hans Meyer aus Kiel, der erste habilitierte Strahlentherapeut in Deutschland und Mitbegründer der Zeitschrift, weist in einer Arbeit über die Methodik der Röntgentherapie in der Gynäkologie darauf hin: „Wir wissen heute, dass schon nach einer einzigen schweren Reaktion der Haut, also nach einer heftigen Röntgendermatitis, sich noch nach Jahren der Zustand der Röntgenatrophie der Haut einstellen kann, ein Ereignis, dass nicht nur aus kosmetischen Gründen vermieden werden muss, sondern vor allem auch deswegen unsere volle Beachtung verdient, weil diese röntgenatrophischen Stellen, wie die Erfahrung lehrt, wenn auch nur in seltenen Ausnahmefällen, zu malignen Neubildungen prädisponieren können.“
Die erste Arbeit in der Zeitschrift (also Seite 1, Heft 1, Band 1) stammt von Hofrat Prof. v. Noorden aus Wien und lautet: „Die Bedeutung der Therapie mit radioaktiven Substanzen für die innere Medizin“. Am Ende der Arbeit kommt er zu folgenden Schlussfolgerungen: „Wir stehen erst am Anfang der radioaktiven Therapie. Wir werden sicher noch manche Enttäuschungen, aber sicher auch manche freudige Überraschung erleben. Die radioaktive Therapie soll und wird andere bewährte Heilmethoden nicht verdrängen, aber sie wird sicher neben ihnen einen angesehenen und allgemein anerkannten Platz erobern. Ehe dieses Ziel erreicht ist, steht noch viel Arbeit vor uns. Wir werden umso schneller und umso sicherer zu ihm gelangen, wenn wir einstweilen mehr die biologischen und pharmakologischen Voraussetzungen derselben als die unsicheren, dem subjektiven Urteil nicht entzogenen und nur durch breiteste und lange Erfahrung sicher zu stellenden unmittelbaren therapeutischen Wirkung studieren.“ Er hatte damals und hat auch noch heute Recht!
Prof. Dr. Jürgen Dunst
Translated title of the contribution | [Welcome from the President of the Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie]. |
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Original language | German |
Journal | Strahlentherapie und Onkologie : Organ der Deutschen Röntgengesellschaft ... [et al] |
Volume | 188 Suppl 3 |
Pages (from-to) | 219 |
Number of pages | 1 |
ISSN | 0179-7158 |
DOIs | |
Publication status | Published - 11.2012 |