TY - JOUR
T1 - Die spezifische immuntherapie (hyposensibilisierung) bei IgE-vermittelten allergischen erkrankungen
AU - Kleine-Tebbe, J.
AU - Bufe, A.
AU - Ebner, C.
AU - Eigenmann, P.
AU - Friedrichs, F.
AU - Fuchs, T.
AU - Huttegger, I.
AU - Jung, K.
AU - Klimek, L.
AU - Kopp, M.
AU - Lässig, W.
AU - Merk, H.
AU - Niggemann, B.
AU - Rabe, U.
AU - Saloga, J.
AU - Schmid-Grendelmeier, P.
AU - Sitter, H.
AU - Virchow, J. C.
AU - Wagenmann, M.
AU - Wedi, B.
AU - Worm, M.
AU - Hering, T.
AU - Koch, A.
AU - Lenders, H.
AU - Müsken, H.
AU - Schnitzer, S.
AU - Stuck, B. A.
AU - Voigtmann, I.
AU - Wehrmann, W.
AU - Kaul, S.
AU - Luther, B.
AU - Schwalfenberg, A.
N1 - Copyright:
Copyright 2020 Elsevier B.V., All rights reserved.
PY - 2010/1
Y1 - 2010/1
N2 - Die vorliegende Leitlinie (S2) zur spezifischen Immuntherapie (SIT) wurde von den deutschen, österreichischen und schweizerischen allergologischen Fachverbänden im Konsens mit den wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Berufsverbänden für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Haut- und Geschlechtskrankheiten, Kinder- und Jugendmedizin, Pneumologie sowie einer deutschen Allergiker-Selbsthilfeorganisation nach Kriterien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) erarbeitet. Bei der subkutanen Immuntherapie (SCIT) entsteht durch zahlreiche immunologische Veränderungen eine über die Therapiedauer hinaus anhaltende Toleranz gegenüber den eingesetzten Allergenen. Zu den Wirkmechanismen der sublingualen Immuntherapie (SLIT) gibt es bisher noch keine einheitlichen Vorstellungen, allerdings werden bei hoch dosierten Präparaten ähnliche systemische Immuneffekte wie bei der SCIT beobachtet. Allergenkonzentrationen und Produkte zur SCIT oder SLIT sind aufgrund ihrer heterogenen Zusammensetzung und unterschiedlicher Messmethoden ihrer wirksamen Inhaltsstoffe derzeit nicht vergleichbar. Zur SCIT werden nicht modifizierte Allergene als wässrige oder physikalisch gekoppelte (Semidepot-)Extrakte sowie chemisch modifizierte Extrakte (Allergoide) als Semidepot-Extrakte eingesetzt. Die vorwiegend unmodifizierten Allergenextrakte zur SLIT werden als wässrige Lösungen oder Tabletten angewandt. Die Daten der kontrollierten Studien unterscheiden sich hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Qualität und erfordern eine produktspezifische Bewertung. Systematische Reviews zeigen erhebliche Heterogenität der Studienergebnisse zur SIT, die teilweise auf unterschiedlichen Probandengruppen, den eingesetzten Allergenprodukten sowie der Therapiedauer und -dosis beruhen. Die Wirksamkeit der SCIT ist bei der allergischen Rhinokonjunktivitis bei Pollen- und Hausstaubmilbenallergie durch zahlreiche kontrollierte Studien und bei Tier- (Katzen) und Schimmelpilzallergie (Alternaria, Cladosporium) durch wenige Studien belegt. Bei kontrolliertem Asthma bronchiale (nach neuen GINA-Leitlinien, 2008) bzw. bei intermittierendem und geringgradig persistierendem IgE-vermitteltem allergischem Asthma (nach alten GINA-Leitlinien, 2005) ist die SCIT gut untersucht und als Therapieoption neben Allergenkarenz und Pharmakotherapie empfehlenswert, insbesondere wenn zusätzlich eine allergische Rhinokonjunktivitis vorliegt. Sekundärpräventive Aspekte, insbesondere die Reduktion von Neusensibilisierungen und ein vermindertes Asthmarisiko, sind daher Gründe, die Indikation zum Therapiebeginn im Kindes- und Jugendalter früh zu stellen. Diagnostik, Indikationsstellung und die Auswahl der relevanten Allergene sollen grundsätzlich von einem Facharzt vorgenommen werden, der über die allergologische Weiterbildung im Kerngebiet oder die Zusatzweiterbildung Allergologie verfügt. Eine Indikation zur SCIT besteht bei nachgewiesener IgE-vermittelter Sensibilisierung mit korrespondierenden klinischen Symptomen durch Allergene, bei denen eine Karenz nicht möglich oder nicht ausreichend ist und ein geeigneter, wirksamer Extrakt zur Verfügung steht. Die Kontraindikationen müssen individuell berücksichtigt werden. Die Injektionen zur SCIT werden von einem Arzt durchgeführt, der mit dieser Therapieform Erfahrung hat und bei einem allergologischen Zwischenfall zur Notfallbehandlung befähigt ist. Eine vorherige Aufklärung mit Dokumentation ist erforderlich. Die Therapie sollte 3 Jahre durchgeführt werden. Kinder zeigen eine gute Verträglichkeit und profitieren besonders von den immunmodulatorischen Effekten der SCIT. Das Auftreten schwerer, potenziell lebensbedrohlicher systemischer Reaktionen bei der SCIT ist möglich, aber bei Einhaltung aller Sicherheitsmaßnahmen sehr selten. Die meisten unerwünschten Reaktionen sind leicht bis mittelschwer und lassen sich gut behandeln. Das Risiko und die Folgen unerwünschter systemischer Reaktionen können durch Schulung des Personals, Beachtung der Sicherheitsstandards und rasche Notfallmaßnahmen wirksam vermindert werden. Bei systemischen Reaktionen durch eine Hymenopterengiftallergie (Biene, Wespe) ist die SCIT ausgezeichnet wirksam und sollte mindestens 3 – 5 Jahre durchgeführt werden, bei manchen Patienten lebenslang. Die Wirksamkeit der SLIT ist bei der allergischen Rhinokonjunktivitis durch Gräserpollenallergene in mehreren großen, kontrollierten Studien belegt. Bei anderen Allergenquellen (Hausstaubmilben, Tierepithelien, Schimmelpilzsporen) existieren bisher weniger und teilweise methodisch unzureichende Studien mit widersprüchlichen Ergebnissen. Die Wirksamkeit der SLIT ist bei allergischem Asthma bronchiale bislang unzureichend belegt. Die SLIT mit Pollenallergenen kann bei Erwachsenen mit allergischer Rhinokonjunktivitis mit wirksamen Produkten eingesetzt werden, insbesondere dann, wenn eine SCIT nicht infrage kommt. Bei Hausstaubmilbenallergie oder anderen Allergenquellen bzw. allergischem Asthma durch Inhalationsallergene stellt die SLIT keinen Ersatz für die SCIT dar. Bei Kindern und Jugendlichen kann die Anwendung der SLIT mit Präparaten, für die eine klinische Wirksamkeit in dieser Altersgruppe dokumentiert ist, in Betracht gezogen werden, wenn eine SCIT nicht infrage kommt. Die SLIT wird von einem Arzt eingeleitet, der mit der Therapie allergischer Erkrankungen Erfahrung (siehe Leitlinientext) hat. Die Therapie wird dem Patienten gemäß den Gebrauchsinformationen des Herstellers erläutert und 3 Jahre prä- und kosaisonal oder ganzjährig durchgeführt. Der Therapieverlauf sollte durch ärztliche Konsultationen wenigstens alle 3 Monate begleitet werden. Abgesehen von sehr häufig bis häufig auftretenden, dosisabhängigen unerwünschten lokalen Symptomen im Mund- und Rachenraum sind systemische Reaktionen vorwiegend leichterer Ausprägung nach einer SLIT bisher sehr selten beschrieben worden. Die SLIT zeigt im Hinblick auf anaphylaktische oder andere schwere systemische Reaktionen ein besseres Sicherheitsprofil als die SCIT. Die SIT zeigt in vielen Bereichen, wie Allergencharakterisierung, Applikationswege, Adjuvantien, Aufdosierung und präventive Aspekte, neue Entwicklungen, die teilweise bereits auf ihre klinische Wirksamkeit untersucht werden.
AB - Die vorliegende Leitlinie (S2) zur spezifischen Immuntherapie (SIT) wurde von den deutschen, österreichischen und schweizerischen allergologischen Fachverbänden im Konsens mit den wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Berufsverbänden für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Haut- und Geschlechtskrankheiten, Kinder- und Jugendmedizin, Pneumologie sowie einer deutschen Allergiker-Selbsthilfeorganisation nach Kriterien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) erarbeitet. Bei der subkutanen Immuntherapie (SCIT) entsteht durch zahlreiche immunologische Veränderungen eine über die Therapiedauer hinaus anhaltende Toleranz gegenüber den eingesetzten Allergenen. Zu den Wirkmechanismen der sublingualen Immuntherapie (SLIT) gibt es bisher noch keine einheitlichen Vorstellungen, allerdings werden bei hoch dosierten Präparaten ähnliche systemische Immuneffekte wie bei der SCIT beobachtet. Allergenkonzentrationen und Produkte zur SCIT oder SLIT sind aufgrund ihrer heterogenen Zusammensetzung und unterschiedlicher Messmethoden ihrer wirksamen Inhaltsstoffe derzeit nicht vergleichbar. Zur SCIT werden nicht modifizierte Allergene als wässrige oder physikalisch gekoppelte (Semidepot-)Extrakte sowie chemisch modifizierte Extrakte (Allergoide) als Semidepot-Extrakte eingesetzt. Die vorwiegend unmodifizierten Allergenextrakte zur SLIT werden als wässrige Lösungen oder Tabletten angewandt. Die Daten der kontrollierten Studien unterscheiden sich hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Qualität und erfordern eine produktspezifische Bewertung. Systematische Reviews zeigen erhebliche Heterogenität der Studienergebnisse zur SIT, die teilweise auf unterschiedlichen Probandengruppen, den eingesetzten Allergenprodukten sowie der Therapiedauer und -dosis beruhen. Die Wirksamkeit der SCIT ist bei der allergischen Rhinokonjunktivitis bei Pollen- und Hausstaubmilbenallergie durch zahlreiche kontrollierte Studien und bei Tier- (Katzen) und Schimmelpilzallergie (Alternaria, Cladosporium) durch wenige Studien belegt. Bei kontrolliertem Asthma bronchiale (nach neuen GINA-Leitlinien, 2008) bzw. bei intermittierendem und geringgradig persistierendem IgE-vermitteltem allergischem Asthma (nach alten GINA-Leitlinien, 2005) ist die SCIT gut untersucht und als Therapieoption neben Allergenkarenz und Pharmakotherapie empfehlenswert, insbesondere wenn zusätzlich eine allergische Rhinokonjunktivitis vorliegt. Sekundärpräventive Aspekte, insbesondere die Reduktion von Neusensibilisierungen und ein vermindertes Asthmarisiko, sind daher Gründe, die Indikation zum Therapiebeginn im Kindes- und Jugendalter früh zu stellen. Diagnostik, Indikationsstellung und die Auswahl der relevanten Allergene sollen grundsätzlich von einem Facharzt vorgenommen werden, der über die allergologische Weiterbildung im Kerngebiet oder die Zusatzweiterbildung Allergologie verfügt. Eine Indikation zur SCIT besteht bei nachgewiesener IgE-vermittelter Sensibilisierung mit korrespondierenden klinischen Symptomen durch Allergene, bei denen eine Karenz nicht möglich oder nicht ausreichend ist und ein geeigneter, wirksamer Extrakt zur Verfügung steht. Die Kontraindikationen müssen individuell berücksichtigt werden. Die Injektionen zur SCIT werden von einem Arzt durchgeführt, der mit dieser Therapieform Erfahrung hat und bei einem allergologischen Zwischenfall zur Notfallbehandlung befähigt ist. Eine vorherige Aufklärung mit Dokumentation ist erforderlich. Die Therapie sollte 3 Jahre durchgeführt werden. Kinder zeigen eine gute Verträglichkeit und profitieren besonders von den immunmodulatorischen Effekten der SCIT. Das Auftreten schwerer, potenziell lebensbedrohlicher systemischer Reaktionen bei der SCIT ist möglich, aber bei Einhaltung aller Sicherheitsmaßnahmen sehr selten. Die meisten unerwünschten Reaktionen sind leicht bis mittelschwer und lassen sich gut behandeln. Das Risiko und die Folgen unerwünschter systemischer Reaktionen können durch Schulung des Personals, Beachtung der Sicherheitsstandards und rasche Notfallmaßnahmen wirksam vermindert werden. Bei systemischen Reaktionen durch eine Hymenopterengiftallergie (Biene, Wespe) ist die SCIT ausgezeichnet wirksam und sollte mindestens 3 – 5 Jahre durchgeführt werden, bei manchen Patienten lebenslang. Die Wirksamkeit der SLIT ist bei der allergischen Rhinokonjunktivitis durch Gräserpollenallergene in mehreren großen, kontrollierten Studien belegt. Bei anderen Allergenquellen (Hausstaubmilben, Tierepithelien, Schimmelpilzsporen) existieren bisher weniger und teilweise methodisch unzureichende Studien mit widersprüchlichen Ergebnissen. Die Wirksamkeit der SLIT ist bei allergischem Asthma bronchiale bislang unzureichend belegt. Die SLIT mit Pollenallergenen kann bei Erwachsenen mit allergischer Rhinokonjunktivitis mit wirksamen Produkten eingesetzt werden, insbesondere dann, wenn eine SCIT nicht infrage kommt. Bei Hausstaubmilbenallergie oder anderen Allergenquellen bzw. allergischem Asthma durch Inhalationsallergene stellt die SLIT keinen Ersatz für die SCIT dar. Bei Kindern und Jugendlichen kann die Anwendung der SLIT mit Präparaten, für die eine klinische Wirksamkeit in dieser Altersgruppe dokumentiert ist, in Betracht gezogen werden, wenn eine SCIT nicht infrage kommt. Die SLIT wird von einem Arzt eingeleitet, der mit der Therapie allergischer Erkrankungen Erfahrung (siehe Leitlinientext) hat. Die Therapie wird dem Patienten gemäß den Gebrauchsinformationen des Herstellers erläutert und 3 Jahre prä- und kosaisonal oder ganzjährig durchgeführt. Der Therapieverlauf sollte durch ärztliche Konsultationen wenigstens alle 3 Monate begleitet werden. Abgesehen von sehr häufig bis häufig auftretenden, dosisabhängigen unerwünschten lokalen Symptomen im Mund- und Rachenraum sind systemische Reaktionen vorwiegend leichterer Ausprägung nach einer SLIT bisher sehr selten beschrieben worden. Die SLIT zeigt im Hinblick auf anaphylaktische oder andere schwere systemische Reaktionen ein besseres Sicherheitsprofil als die SCIT. Die SIT zeigt in vielen Bereichen, wie Allergencharakterisierung, Applikationswege, Adjuvantien, Aufdosierung und präventive Aspekte, neue Entwicklungen, die teilweise bereits auf ihre klinische Wirksamkeit untersucht werden.
UR - http://www.scopus.com/inward/record.url?scp=77649331096&partnerID=8YFLogxK
U2 - 10.5414/alp33003
DO - 10.5414/alp33003
M3 - Übersichtsarbeiten
AN - SCOPUS:77649331096
SN - 0344-5062
VL - 33
SP - 3
EP - 34
JO - Allergologie
JF - Allergologie
IS - 1
ER -