Akute ITP im Kindesalter - muten wir unseren pädiatrischen Patienten zu viel zu? - ESPED-Erhebung zur Akuten Immunthrombozytopenie im Kindesalter

Translated title of the contribution: Acute ITP in Childhood - Do We Treat Too Much? - ESPED Evaluation

Hannah Von Lukowicz, Paul G. Schlegel, Wolfgang Eberl, Rüdiger Von Kries, Henner Morbach, Christoph Härtel, Imme Haubitz, Verena A. Wiegering*

*Corresponding author for this work

Abstract

Die Immunthrombozytopenie (ITP) ist eine mit einer isolierten Thrombozytopenie (<100 000/µl) einhergehende Autoimmunerkrankung (Neunert C et al., Blood 2011; 117(16): 4190–4207). Die primäre ITP ist eine Ausschlussdiagnose, der Nachweis spezifischer Antikörper kann lediglich hinweisend sein. Mit einer Inzidenz von 3–5/100 000 ist die ITP die häufigste Ursache für Thrombozytopenien im Kindesalter. Charakteristisch sind petechiale Haut- und Schleimhautblutungen, selten können lebensbedrohliche Blutungen, z. B. im Gastrointestinaltrakt oder Gehirn, auftreten. Die Erkrankung ist bei Kindern in den meisten Fällen selbstlimitierend und bedarf keiner Therapie. Bei schweren Verläufen stehen Immunglobuline, Steroide und die Thrombozytensubstitution zur Verfügung. Es existiert zur Diagnostik und Therapie seit einigen Jahren eine AWMF-Leitlinie, welche im Jahr 2010 erstellt und im Oktober 2018 aktualisiert wurde (Neu diagnostizierte Immunthrombozytopenie im Kindes- und Jugendalter. https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/086–001.html. Accessed 25 Apr 2020). Die aktuelle Version sieht vor, dass Kinder ohne oder mit milden Blutungen (ausschließlich Hautblutungen) primär, unabhängig von den Thrombozytenwerten, beobachtet werden, während bei Vorliegen eines Blutungsscores von mindestens 3b eine Behandlungsindikation besteht. In der Vorversion bestand bereits die Einschätzung, dass die Therapieindikation sich primär an der Blutungsneigung und nicht an der absoluten Thrombozytenzahl orientieren sollte, fakultativ sollte jedoch bei Thrombozytenzahlen <20 000/µl auch bei lediglich milden Blutungszeichen eine Therapie in Betracht gezogen werden. In der aktuellen Version ist somit die Therapieindikation restriktiver bewertet. Die Guidelines in der UK (British Committee Standards Haematology (BCSH) General Haematology Task Force. Guidelines for the investigation and management of idiopathic thrombocytopenic purpura in adults, children and in pregnancy. Br J Haematol 2003;120(4): 574–596.) sowie in Amerika (American Society of Hematology 2019 guidelines for immune thrombocytopenia) empfehlen ebenfalls die Therapieentscheidung anhand klinischer Blutungssymptome zu treffen. Trotz der vorhandenen Empfehlungen erscheint in der klinischen Praxis die Leitlinienadhärenz sehr gering. Insbesondere der Einsatz von Thrombozytenkonzentraten und Immunglobulinen bei geringen Blutungszeichen scheint vor dem Hintergrund der geringen spontanen Blutungsrate bei ITP-Patienten im Abwägen der Risiko-Nutzen-Relation unverhältnismäßig hoch. Hier besteht aus Sicht der Autoren ein dringender Handlungsbedarf, um die Patientensicherheit zu verbessern und unnötige Kosten im Gesundheitssystem sowie erhebliche psychosoziale Einschränkungen für die Patienten und ihre Familien zu vermeiden. Um objektive Fakten zur aktuellen Behandlung in Deutschland zu erreichen, wurde im Übergangsbereich zwischen der neuen und alten Leitlinie eine prospektive ESPED-Befragung an den Kinderkliniken Deutschlands durchgeführt mit dem Ziel reelle Daten zum Aufnahmegrund, klinischen Verlauf, Umsetzung der Therapieempfehlungen (AWMF-Leitlinie) und Outcome zu erheben. Ziel der Arbeit war eine Bestandaufnahme der aktuellen Behandlungsrealität, um aus diesen Ergebnissen Strategien für eine verbesserte Patientenversorgung zu entwickeln.
Translated title of the contributionAcute ITP in Childhood - Do We Treat Too Much? - ESPED Evaluation
Original languageGerman
JournalKlinische Padiatrie
Volume233
Issue number3
Pages (from-to)145-148
Number of pages4
ISSN0300-8630
DOIs
Publication statusPublished - 01.05.2021

Research Areas and Centers

  • Academic Focus: Center for Brain, Behavior and Metabolism (CBBM)

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