Abstract
Hintergrund
Beim Urothelkarzinom des oberen Harntraktes (UTUC) handelt es sich um eine eher seltene maligne Erkrankung mit einer Inzidenz von 2 pro 100.000 Einwohnern pro Jahr. Die UTUCs machen nur 5–10 % aller Urothelkarzinome aus [1, 2]. Obwohl sowohl das Blasenkarzinom als auch das UTUC aus dem Übergangsepithel entstehen, zeigen sich doch Unterschiede hinsichtlich Genaberrationsmuster, initialdiagnostischem Stadium und Prognose [3,4,5]. Hinsichtlich der Prognose schneiden UTUCs im Vergleich zu dem Urothelkarzinom der Blase schlechter ab, da sie häufiger in höheren Stadien diagnostiziert werden [6]. Bisher besteht die Standardtherapie für das fortgeschrittene UTUC aus einer radikalen Nephroureterektomie, gefolgt von klinischen und radiologischen Nachbeobachtungen. Fortgeschrittene UTUC zeigen unter dieser Therapie eine schlechte Prognose mit 5‑Jahres-Überlebensraten unter 50 % [1]. Bisherige Studien zum ergänzenden Einsatz von Chemotherapie sind vornehmlich retrospektiv und mit geringer statistischer Aussagekraft [7,8,9,10,11,12]. Aufgrund der geringen Datenlage konnten deshalb bisher keine Empfehlungen zum Einsatz einer perioperativen Chemotherapie beim UTUC gegeben werden [1, 7]. Die in 2020 veröffentlichte POUT-Studie („Peri-Operative chemotherapy versus sUrveillance in upper Tract urothelial cancer“) stellt nun die größte multizentrische, prospektive und randomisierte Phase-3-Studie zur Wirksamkeit einer adjuvanten Chemotherapie nach Nephroureterektomie (NUE) bei Patienten mit UTUC dar.
Patientengut und Methoden
Einschlusskriterien für die Studie waren: Metastasenfreiheit (M0), lokal fortgeschrittenes Tumorstadium oder Lymphknotenbefall sowie eine glomeruläre Filtrationsrate (GFR) von mindestens 30 ml/min. Das Therapiekonzept bestand aus einer adjuvanten Chemotherapie mit 4 Zyklen zu jeweils 21 Tagen, die innerhalb von 90 Tagen nach der NUE (plus Exzision klinisch/radiologisch auffälliger Lymphknoten) begonnen wurde. Alle Patienten in der Interventionsgruppe erhielten an den Tagen 1 und 8 Gemcitabin sowie zusätzlich am Tag 1 Cisplatin, sofern die GFR ≥50 ml/min betrug. Bei niedrigerer GFR wurde Cisplatin durch Carboplatin ersetzt. Sowohl die Interventions- als auch die Kontrollgruppe wurden in regelmäßigen Abständen über im Median 30 Monate klinisch und radiologisch kontrolliert, die unerwünschten Nebenwirkungen der Therapie erfasst und ein standardisierter Fragebogen zur Lebensqualität ausgefüllt. Als primärer Endpunkt der Studie wurde das „disease free survival“ (DFS) festgelegt; Ereignisse waren Rezidive, Metastasen oder Tod. Sekundäre Endpunkte waren das Gesamtüberleben, die Compliance, die kurzfristige und langfristige Toxizität der Behandlung sowie die Lebensqualität.
Ergebnisse
Im Zeitraum von Juni 2012 bis November 2017 wurden 261 Patienten an 57 Studienstandorten rekrutiert, wovon in der Randomisierung 132 Patienten der Chemotherapiegruppe und 129 Patienten der Kontrollgruppe zugeordnet wurden. Das mittlere Alter der Patienten betrug 68,5 Jahre. 94 % der Patienten wurden im Stadium pT2/T3 diagnostiziert, 91 % hatten keinen Lymphknotenbefall, wobei bei fehlenden histopathologischen Ergebnissen die Bewertung der Bildgebung ausschlaggebend war. Die GFR der Patienten lag bei 64 % aller Teilnehmer bei ≥ 50 ml/min. Auf Empfehlung des unabhängigen Datenüberwachungskomitees wurde die Patientenrekrutierung vorzeitig beendet, nachdem bereits frühzeitig das Kriterium der Wirksamkeit erreicht worden war. Die bereits erhobenen Daten zeigten innerhalb der Interventionsgruppe weniger krankheitsbezogene Ereignisse (27 % im Vergleich zu 47 % in der Kontrollgruppe). Die adjuvante Chemotherapie reduzierte dabei das Risiko für das Auftreten von Rezidiven um 55 % („hazard ratio“ [HR] = 0,45, 95 %-Konfidenzintervall (95 %-KI) 0,3–0,68, p = 0,0001). Im Vergleich der Schätzungen des krankheitsfreien 3‑Jahres-Überlebens präsentierte die Chemotherapiegruppe mit 71 % (95 %-KI: 61–78) wesentlich bessere Werte als die Kontrollgruppe mit 46 % (95 %-KI: 11–38). Auch nach einer Angleichung bekannter prognostischer Faktoren blieb der Effekt der Chemotherapie unverändert; er war in allen Prognosegruppen ähnlich. In der Subgruppenanalyse zeigte sich ein signifikanter Effekt nur bei Patienten der Gemcitabin-Cisplatin-Gruppe (HR = 0,35, p = 0,0002). In der mit Gemcitabin/Carboplatin behandelten Subgruppe war der Effekt geringer und nicht signifikant (HR = 0,66, p = 0,21). Der Einfluss auf das Gesamtüberleben konnte allerdings aufgrund der vorzeitigen Veröffentlichung der Daten noch nicht berechnet werden. Er ist für einen späteren Zeitpunkt geplant. Zum Zeitpunkt der aktuellen Analyse waren in der Chemotherapiegruppe 24 Todesfälle und in der Kontrollgruppe 38 Todesfälle aufgetreten.
Innerhalb der Chemotherapiegruppe traten mit 44 % mehr unerwünschte therapiebedingte Ereignisse (CTCAE ≥ Grad 3) auf im Vergleich zu 4 % in der Kontrollgruppe. Dabei handelte es sich um aus der klinischen Praxis bekannte, unerwünschte Ereignisse des jeweiligen Chemotherapieregimes, von denen keines tödlich verlief. In Analysen zur Lebensqualität wurden die Fragebögen von 243 Patienten ausgewertet. Patienten der Chemotherapiegruppe zeigten vorübergehend eine eingeschränkte Lebensqualität während sowie 3 Monate nach der Therapie. Diese glich sich nach 6 Monaten wieder den Werten der Kontrollgruppe an.
Schlussfolgerungen der Autoren
Die Autoren empfehlen, das untersuchte Therapiekonzept als neuen Standard festzulegen. Zur Wirksamkeit von Carboplatin als Ersatz für Cisplatin bei herabgesetzter Nierenfunktion konnte noch keine Aussage gemacht werden. Ob aber bei UTUC standardmäßig eine extensive abdominale Lymphknotendissektion durchgeführt werden sollte oder nicht, ist Gegenstand aktueller Diskussionen. Deshalb wurden diesbezüglich zugunsten der Durchführbarkeit in der POUT-Studie keinerlei Vorgaben gemacht, trotz der Gefahr eines „under staging“ durch Übersehen von Mikrometastasen.
Beim Urothelkarzinom des oberen Harntraktes (UTUC) handelt es sich um eine eher seltene maligne Erkrankung mit einer Inzidenz von 2 pro 100.000 Einwohnern pro Jahr. Die UTUCs machen nur 5–10 % aller Urothelkarzinome aus [1, 2]. Obwohl sowohl das Blasenkarzinom als auch das UTUC aus dem Übergangsepithel entstehen, zeigen sich doch Unterschiede hinsichtlich Genaberrationsmuster, initialdiagnostischem Stadium und Prognose [3,4,5]. Hinsichtlich der Prognose schneiden UTUCs im Vergleich zu dem Urothelkarzinom der Blase schlechter ab, da sie häufiger in höheren Stadien diagnostiziert werden [6]. Bisher besteht die Standardtherapie für das fortgeschrittene UTUC aus einer radikalen Nephroureterektomie, gefolgt von klinischen und radiologischen Nachbeobachtungen. Fortgeschrittene UTUC zeigen unter dieser Therapie eine schlechte Prognose mit 5‑Jahres-Überlebensraten unter 50 % [1]. Bisherige Studien zum ergänzenden Einsatz von Chemotherapie sind vornehmlich retrospektiv und mit geringer statistischer Aussagekraft [7,8,9,10,11,12]. Aufgrund der geringen Datenlage konnten deshalb bisher keine Empfehlungen zum Einsatz einer perioperativen Chemotherapie beim UTUC gegeben werden [1, 7]. Die in 2020 veröffentlichte POUT-Studie („Peri-Operative chemotherapy versus sUrveillance in upper Tract urothelial cancer“) stellt nun die größte multizentrische, prospektive und randomisierte Phase-3-Studie zur Wirksamkeit einer adjuvanten Chemotherapie nach Nephroureterektomie (NUE) bei Patienten mit UTUC dar.
Patientengut und Methoden
Einschlusskriterien für die Studie waren: Metastasenfreiheit (M0), lokal fortgeschrittenes Tumorstadium oder Lymphknotenbefall sowie eine glomeruläre Filtrationsrate (GFR) von mindestens 30 ml/min. Das Therapiekonzept bestand aus einer adjuvanten Chemotherapie mit 4 Zyklen zu jeweils 21 Tagen, die innerhalb von 90 Tagen nach der NUE (plus Exzision klinisch/radiologisch auffälliger Lymphknoten) begonnen wurde. Alle Patienten in der Interventionsgruppe erhielten an den Tagen 1 und 8 Gemcitabin sowie zusätzlich am Tag 1 Cisplatin, sofern die GFR ≥50 ml/min betrug. Bei niedrigerer GFR wurde Cisplatin durch Carboplatin ersetzt. Sowohl die Interventions- als auch die Kontrollgruppe wurden in regelmäßigen Abständen über im Median 30 Monate klinisch und radiologisch kontrolliert, die unerwünschten Nebenwirkungen der Therapie erfasst und ein standardisierter Fragebogen zur Lebensqualität ausgefüllt. Als primärer Endpunkt der Studie wurde das „disease free survival“ (DFS) festgelegt; Ereignisse waren Rezidive, Metastasen oder Tod. Sekundäre Endpunkte waren das Gesamtüberleben, die Compliance, die kurzfristige und langfristige Toxizität der Behandlung sowie die Lebensqualität.
Ergebnisse
Im Zeitraum von Juni 2012 bis November 2017 wurden 261 Patienten an 57 Studienstandorten rekrutiert, wovon in der Randomisierung 132 Patienten der Chemotherapiegruppe und 129 Patienten der Kontrollgruppe zugeordnet wurden. Das mittlere Alter der Patienten betrug 68,5 Jahre. 94 % der Patienten wurden im Stadium pT2/T3 diagnostiziert, 91 % hatten keinen Lymphknotenbefall, wobei bei fehlenden histopathologischen Ergebnissen die Bewertung der Bildgebung ausschlaggebend war. Die GFR der Patienten lag bei 64 % aller Teilnehmer bei ≥ 50 ml/min. Auf Empfehlung des unabhängigen Datenüberwachungskomitees wurde die Patientenrekrutierung vorzeitig beendet, nachdem bereits frühzeitig das Kriterium der Wirksamkeit erreicht worden war. Die bereits erhobenen Daten zeigten innerhalb der Interventionsgruppe weniger krankheitsbezogene Ereignisse (27 % im Vergleich zu 47 % in der Kontrollgruppe). Die adjuvante Chemotherapie reduzierte dabei das Risiko für das Auftreten von Rezidiven um 55 % („hazard ratio“ [HR] = 0,45, 95 %-Konfidenzintervall (95 %-KI) 0,3–0,68, p = 0,0001). Im Vergleich der Schätzungen des krankheitsfreien 3‑Jahres-Überlebens präsentierte die Chemotherapiegruppe mit 71 % (95 %-KI: 61–78) wesentlich bessere Werte als die Kontrollgruppe mit 46 % (95 %-KI: 11–38). Auch nach einer Angleichung bekannter prognostischer Faktoren blieb der Effekt der Chemotherapie unverändert; er war in allen Prognosegruppen ähnlich. In der Subgruppenanalyse zeigte sich ein signifikanter Effekt nur bei Patienten der Gemcitabin-Cisplatin-Gruppe (HR = 0,35, p = 0,0002). In der mit Gemcitabin/Carboplatin behandelten Subgruppe war der Effekt geringer und nicht signifikant (HR = 0,66, p = 0,21). Der Einfluss auf das Gesamtüberleben konnte allerdings aufgrund der vorzeitigen Veröffentlichung der Daten noch nicht berechnet werden. Er ist für einen späteren Zeitpunkt geplant. Zum Zeitpunkt der aktuellen Analyse waren in der Chemotherapiegruppe 24 Todesfälle und in der Kontrollgruppe 38 Todesfälle aufgetreten.
Innerhalb der Chemotherapiegruppe traten mit 44 % mehr unerwünschte therapiebedingte Ereignisse (CTCAE ≥ Grad 3) auf im Vergleich zu 4 % in der Kontrollgruppe. Dabei handelte es sich um aus der klinischen Praxis bekannte, unerwünschte Ereignisse des jeweiligen Chemotherapieregimes, von denen keines tödlich verlief. In Analysen zur Lebensqualität wurden die Fragebögen von 243 Patienten ausgewertet. Patienten der Chemotherapiegruppe zeigten vorübergehend eine eingeschränkte Lebensqualität während sowie 3 Monate nach der Therapie. Diese glich sich nach 6 Monaten wieder den Werten der Kontrollgruppe an.
Schlussfolgerungen der Autoren
Die Autoren empfehlen, das untersuchte Therapiekonzept als neuen Standard festzulegen. Zur Wirksamkeit von Carboplatin als Ersatz für Cisplatin bei herabgesetzter Nierenfunktion konnte noch keine Aussage gemacht werden. Ob aber bei UTUC standardmäßig eine extensive abdominale Lymphknotendissektion durchgeführt werden sollte oder nicht, ist Gegenstand aktueller Diskussionen. Deshalb wurden diesbezüglich zugunsten der Durchführbarkeit in der POUT-Studie keinerlei Vorgaben gemacht, trotz der Gefahr eines „under staging“ durch Übersehen von Mikrometastasen.
Translated title of the contribution | Adjuvant chemotherapy in the treatment of urothelial carcinoma of the upper urinary tract |
---|---|
Original language | German |
Journal | Strahlentherapie und Onkologie |
Volume | 196 |
Issue number | 9 |
Pages (from-to) | 837-840 |
Number of pages | 4 |
ISSN | 0179-7158 |
DOIs | |
Publication status | Published - 19.06.2020 |