Gen-Amplifikationen sind bekannte Mechanismen zur Onkogenaktivierung in Tumorzellen. Kürzlich konnten wir in Plattenepithelkarzinomen der Lunge SOX2 als Onkogen identifizieren. SOX2 kodiert für den gleichnamigen Transkriptionsfaktor und ist ein wichtiger Stammzellfaktor in der Embryonalentwicklung. Die aktuelle Forschung weist darauf hin, dass nur bestimmte Tumorzellen (sog. Tumorstammzellen), eine Krebserkrankung initiieren und aufrechterhalten können. Tumorstammzellen sind eine Subpopulation, die in der Regel gegenüber konventioneller Radio- und Chemotherapie resistent sind und somit tumorbiologisch eine wichtige Rolle spielen. Unsere Arbeitshypothese ist, dass - ähnlich wie bei anderen Tumorentitäten - die vermehrte Detektion von Zellen mit Stammzelleigenschaften (z.B. SOX2, ALDH1, OCT3/4 und LIN28 exprimierende Zellen) bei Plattenepithelkarzinomen vornehmlich der Lunge, aber auch anderer Organe, die häufig von Plattenepithelkarzinomen betroffen sind, eine prognostische Bedeutung hat sowie eine Rolle bei der Tumorentstehung und Metastasierung/Progression spielt. Der Einfluss o.g. putativer Stammzellmarker in diesen Tumorentitäten wird in zellbiologischen und funktionellen Untersuchungen analysiert werden. Ergebnisse aus diesen Untersuchungen haben das Potential, pathogenetische Mechanismen bei Plattenepithelkarzinomen aufzudecken und neue diagnostische sowie therapeutische Ansätze zu ermöglichen.
Gen-Amplifikationen stellen einen bekannten Mechanismus zur Aktivierung von Onkogenen in Tumorzellen dar. In einer von uns mitpublizierten Studie wurden Plattenepithelkarzinome der Lunge und des Ösophagus auf amplifizierte Loci untersucht. Dabei wurde das Gen Sex Determining Region Y-Box 2 (SOX2), welches für den gleichnamigen Transkriptionsfaktor kodiert, als potentielles Onkogen identifiziert. Ziel des Antrags war, zunächst den SOX2- Amplifikations- und Expressionsstatus sowie von weiteren Stammzellmarkern (LIN28, OCT4 und ALDH1) an Geweben von verschieden Tumorentitäten zu untersuchen und die funktionelle Rolle dieser Stammzellmarker in-vitro aufzuklären. Untersuchungen zur Expression von weiteren Stammzellmarker wie LIN28, OCT4 und ALDH1 zeigten jedoch keine erfolgsversprechenden Ergebnisse. Somit konzentrierten wir uns auf die Rolle des Stammzellmarkers SOX2 in Karzinomen des Kopf-Hals-Bereichs, Karzinome, die normalerweise erst in einem fortgeschrittenen Stadium detektiert werden und nicht mehr geheilt werden können. Daher ist es von großem Interesse neue prognostische oder prädiktive Biomarker sowie neue therapeutische Angriffspunkte zu identifizieren. SOX2 ist ein Transkriptionsfaktor der die Pluripotenz in embryonalen Stammzellen reguliert, bei der Embryogenese sowie in verschiedenen Tumoren eine wichtige Rolle spielt. SOX2 wurde in verschiedenen Tumorentitäten untersucht, jedoch bisher unzureichend in Kopf-Hals-Tumoren. In der ersten Studie über Nasennebenhöhlentumoren, einer Untergruppe von Kopf-Hals-Tumoren, beobachteten wir, dass eine SOX2-Amplifikation häufiger in Plattenepithelkarzinomen detektierbar ist als in Adenokarzinomen. Eine SOX2-Amplifikation führte in den meisten Fällen zu einer erhöhte SOX2-Proteinexpression und scheint somit der Hauptmechanismus für eine SOX2-Überexpression zu sein. Wenn auch nur an einer kleinen Kohorte untersucht, konnten wir zeigen, dass Patienten mit einer SOX2-Amplifikation eine höhere Inzidenz aufwiesen an einem Rezidiv zu erkranken. Die Ergebnisse müssen jedoch an einer größeren Kohorte bestätigt werden. Untersuchungen von SOX2-Amplifikationen/Expressionen an weiteren Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereichs einschließlich Mundhöhle, Oropharynx, Hypopharynx und Larynx zeigten, dass ca. 20% der untersuchten Primärtumore eine SOX2-Amplifikation aufwiesen und diese hauptsächlich im Hypopharynx und Oropharynx auftraten. Auch hier führte, wenn auch nicht bei allen Fällen eine SOX2-Amplifikation zu einer erhöhten Proteinexpression. In den meisten Fällen stimmte der Copy Number Status in Metastasen und Rezidiven mit dem der Primärtumore überein. Übereinstimmend mit diesen Daten war zudem, dass eine hohe SOX2-Expression signifikant mit pathologischen Parametern, die ein schlechtes Outcome vorhersagen assoziiert werden konnte. Versuche mit SOX2-modifizierten Zelllinien zeigten, dass SOX2-überexprimierende Zellen einen verstärkten Wachstum aufwiesen der sich auf eine verminderte Apoptose zurückführen ließ. Behandlung mit Staurosporin in SOX2-überexprimierenden Zellen führte zu einer verminderten Apoptose verglichen mit Kontrollzellen was auf eine Hochregulation des anti-apoptotischen Gens BCL-2 zurückzuführen war. In einem noch unpublizierten Folgeprojekt untersuchen wir, ob eine Inhibition von BCL-2 mittels Inhibitor (ABT-199) oder siRNA zu einer erhöhten Apoptoserate bzw. Apoptosesensitivität in Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereichs führt und somit zum verstärkten Absterben von Tumorzellen unter Chemotherapie. Erste Ergebnisse bestätigen unsere Theorie. Zudem weisen unsere Daten daraufhin, dass BCL-2 ein direktes Target von SOX2 darstellt. In vivo Experimente an einem im Labor der Mitantragstellerin etablierten Zebrafischembryoxenograft-Modell zeigen eine erhöhte in-vivo Tumorigenität von SOX2-exprimierenden Zellen. Zusammenfassend verdeutlichen diese Studien die prominente Rolle von SOX2 als Onkogen in Kopf-Hals-Tumoren und geben neue Einblicke über seine prognostische Bedeutung und molekulare Regulation in Karzinomen des Kopf-Hals-Bereichs.