Die Angiogenese beruht auf einem Gleichgewicht zwischen hemmenden und stimulierenden Faktoren. Eigene Vorarbeiten haben gezeigt, daß CEACAM1, ein Zelladhäsionsmolekül aus der Immunglobulin-Superfamilie, in der Lage ist Gefäßwachstum in vitro und in vivo zu induzieren. Experimentelle Befunde legen die Vermutung nahe, daß CEACAM1 auch an Entzündungsreaktionen des Endothels beteiligt ist. Über die transkriptionelle Regulation von CEACAM1 in Endothelzellen ist bislang wenig bekannt. Absicht des hier vorgelegten Projektes ist daher die Beantwortung der Frage, welche Faktoren (z.B. Hypoxie, proinflammatorische Zytokine) an der Regulation der Expression von CEACAM1 in Endothelzellen beteiligt sind und welche funktionelle Bedeutung einer vermehrten Expression von CEACAM1 zukommt. Die Experimente sollen dazu beitragen, Aufschlüsse über die biologische Funktion von CEACAM1 zu erhalten. Die Kenntnis dieser Daten könnte in Zukunft möglicherweise neue therapeutische Ansätze z.B. zur Regulation des Gefäßwachstums oder Inhibition der Atherosklerose eröffnen.
Die Angiogenese ist ein komplexer Vorgang, der durch eine Vielzahl verschiedenster Faktoren gesteuert wird. In umfangreichen Voruntersuchungen konnte unsere Arbeitsgruppe zeigen, dass lösliches CEACAM1, ein Zelladhäsionsmolekül (Gykoprotein) aus der Gruppe der CEA-Genfamilie, die Gefäßneubildung begünstigt CEACAM1 kommt als lösliche und transmembranäre Form bei verschiedenen Zelltypen vor. Über die Regulation von CEACAM1 in Endothelzellen gibt es bislang keine entsprechenden Untersuchungen. Vornämliches Ziel des hier dargelegten Projektes war es daher der Frage nachzugehen, welche Faktoren (von denen im Allgemeinen angenommen wird, dass sie bei der Angiogenese eine Rolle spielen) die Genexpression von CEACAM1 verändern. Im zweiten Teil der Untersuchung sollte dann untersucht werden, welche funktionelle Auswirkung die vermehrte Expression von endogenen CEACAM1 auf die Endothelzellen hat Um diese Frage zu beantworten wurden zwei unterschiedliche Strategien gewählt (i) Inhibition von CEACAM1 mittels neutralisierendem Antikörper, (ii) selektive Überexpression mittels adenoviralem Gentransfer. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Hypoxie, einer der stärksten Induktoren der Gefäßneubildung, führte unter den hier gewählten Versuchsbedingungen zu keiner Veränderung der CEACAM1 Expression in mikrovaskulären Endothelzellen. Ein parakriner Effekt konnte in Ko-Kulturexperimenten mit glatten Muskelzellen nicht festgestellt werden. 2. Von den hier untersuchten proatherogenen und proinflammatorischen Substanzen führte INF-y zu eine signifikanten und konzentraflonsabhängigen Zunahme der Transkription und Translation von CEACAM1. 3. Funktionell bewirkte die Stimulation der Endothelzellen mit INF-y eine erhöhte Rate an migrierenden Zellen in einem komplexen Funktionsassay (Boyden-Chamber). Entgegen der ursprünglichen Annahme, führte die Inhibition von CEACAM1 mit einem neutralisierenden Anflkörper (4D1C2) in INF-y stimulierten Zellen nahezu zu einer Verdopplung der Anzahl migrierender Zellen. 4. Demgegenüber hatte die selektive Überexpression von CEACAMl in Endothelzellen eine hemmende Wirkung auf die Wanderungsgeschwindigkeit der Zellen. Die Daten lassen sich wie folgt interpretieren: (i) Im Gegensatz zu vielen anderen proanglogenen Faktoren wird die Expression von CEACAMl in mikrovaskulären Endothelzellen nicht durch den Abfall des zellulären Sauerstoffpartialdrucks reguliert. Auch scheint es keinen parakrinen, Hypoxie-vermittelten Effekt auf CEACAM1 durch glatte Muskelzellen zu geben, (ii) Interferon y ist ein wichtiger Regulator der Expression von CEACAM1 und führt unter den hier gewählten Bedingungen zu einer signifikanten Zunahme von CEACAM1 in mikrovaskulären Endothelzellen. In vorhergehenden Migrationsexperimenten mit humanen Endothelzellen zeigte CEACAM1, das aus neutrophilen Granulocyten aufgereinigt worden war, chemotaktische Eigenschaften, die mit denen des vaskulären Wachstumsfaktors (VEGF) vergleichbar sind. Demgegenüber führt die Zunahme des zellständigen CEACAMl zu einer Reduktion der Zellmotilität und damit zu einer Stabilisierung. Durch Bindung von CEACAM1 an intrazelluläre signaltransduzierende Proteine und Kontakt zum Cytoskelett könnte es modulierend auf Signaltransduktionskaskaden und die Organisation des Cytoskeletts einwirken. Dadurch kann es zur Veränderung der Genexpression kommen, womit CEACAM1 Einflüsse auf die Zellproliferation und -differenzierung nehmen kann. CEACAM1 kommt somit eine duale Funktion zu, wobei die Bildung von „cis-Dimeren" (lösliches CEACAM1) zu einer Aufhebung der Kontaktinhibition der Proliferaflon und zum Wiedereintritt der Zellen in den Zellzyklus führt, während die Bildung von „trans-Dimeren" (zellständiges CEACAM1), das Gegenteil bewirkt und zur Stabilisierung z.B. von neu gebildeten Gefäßen führt.