Mehrsprachige (d.h. Sprecher von mehr als einer Sprache) können ihre Sprachen dahingehend kontrollieren, wie viele Sprachen sie zu einem bestimmten Zeitpunkt verwenden möchten: entweder nur eine, während die andere ¿ausgeschaltet¿ ist, oder beide gemischt (¿switching¿). Ziel dieses Forschungsprojekts ist es zu untersuchen, ob diese Kontrolle spezifisch im Hinblick auf das Sprachsystem ist oder sich allgemeiner metakognitiver, ¿exekutiver¿ Funktionen bedient, also ob Individuen, die eine gute Kontrollfähigkeit im Bezug auf ihre beiden Sprachen haben, auch eine verbesserte exekutive Fähigkeit im nichtsprachlichen, kognitiven Bereich besitzen, und somit z.B. Störungen (Interferenzen) von irrelevanter Information leichter und effektiver ausblenden können. Zu diesem Zweck sollen die Hirnaktivität (besonders im exekutiven Bereich) von bilingualen Sprechern (Deutsch/ Russisch und Spanisch/Katalanisch) mit guter bzw. schlechter sprachlicher Interferenzkontrolle mit Hilfe von elektrophysiologischen (Ereigniskorrelierte Potenziale, EKP) und elektromagnetischen Verfahren (Transkranielle Magnetstimulation, TMS) untersucht, und deren Verhalten in einer Reihe von sprachlichen und nicht-sprachlichen Experimenten verglichen werden, für deren Ausführung ein hohes Maß an exekutiver Kontrolle vom Teilnehmer verlangt wird.
Die hier vorgestellten Daten sind, unserer Kenntnis nach, bislang einzigartig, weil die Annahme von zwei Sprechergruppen, die sich in ihrer Interferenzanfalligkeit unterscheiden, bislang nicht erforscht wurde. Auch Michael und Gollan (2005) erwähnen, dass individuelle Unterschiede der Inhibitionsfähigkeit bei der L2-Verarbeitung noch unerforscht sind.
Die vorliegende Arbeit hat nun begonnen, diese Thematik systematisch zu untersuchen. Sowohl Sprachaspekte der Mehrsprachigkeit, wie auch Sprachbiografien und demografische Faktoren ebenso wie Intelligenzmaße und Tests der exekutiven Funktionen und schließlich Hirnstromableitungen und Kernspinntomographie wurden in einem sehr umfassenden Ansatz einbezogen. Kontrolle bei Mehrsprachlern insgesamt ist in letzter Zeit in den Blickpunkt der Forscher gelangt, nachdem psychologische Konzepte wie Inhibition und Kontrolle zunehmend thematisiert wurde. Bialystok (2005) kommt zu dem Schluss, dass Bilingualismus etwas Fundamentales im Bezug auf die Art und Weise, wie kognitive Prozesse in jungen Kindern geformt werden, verändert. Unsere fMRI Studie ist hierfür ein zusätzlicher und genauerer Beleg. Bialystok behauptet, dass Bilingualität in einem größeren Maß der inhibitorischen Kontrolle bedürfe, weil sie immer dann, wenn Sprache verwendet werde, notwendig sei. Zweisprachige Kinder würden folglich diese exekutive Funktion bereits in ihren ersten Lebensjahren extensiv üben können. Um die Beobachtung zu erklären, dass bilinguale Kinder Monolingualen in Aufgaben überlegen sind, die Inhibition von irrelevanten Informationen benötigen, spekuliert sie, dass die Übung des Inhibierens von linguistischer Verarbeitung auf die Verarbeitung von verschiedenen kognitiven Bereichen übertragen werden könnte, und vielleicht sogar die Entwicklung des präfrontalen Kortex beschleunige, welcher im kindlichen Gehirn erst sehr spät reift, aber, wie in unserer Einleitung beschrieben, wesentlich für die exekutiven Funktionen ist. Damit haben wir gezeigt, welch wesentliche Zusammenhänge zwischen Mehrsprachigkeit und exekutiven Funktionen bestehen. Unsere bisherige Forschungsarbeit ist national wie international auf großes Interesse gestoßen. Im Laufe der Projektlaufzeit wurde ich zu Kongressen von Lehrern und Erziehern zum Vortrag eingeladen, wie auch zu Kinder- und Jugendmedizinern, die alle ein sehr offenes Ohr für diese Forschungsansätze und -ergebnisse hatten. Allerdings ist immer noch nicht ausreichend klar, wie genau deren wechselseitige Beeinflussung abläuft, ebenso wie der zeitliche Verlauf beider, welche Rolle Training von beiden Kontrolltypen oder Vererbbarkeit von exekutiven Funktionen spielt, inwieweit dies bei mehrsprachigen Aphasikern oder mehrsprachigen ADHS-Kindern zu einer erfolgreichen Therapie führen könnte. Hierzu gibt es eine Vielzahl von Forschungsmöglichkeiten.