Abstract
Die Forschung auf dem Gebiet der Rheumatologie hat in den vergangenen 10 Jahren die klinische Praxis insbesondere in zwei Punkten fundamental beeinflusst. Zum einen ist heute unumstritten, dass eine frühzeitig eingeleitete potente immunsuppressive Therapie die Prognose und das Langzeitergebnis entzündlicher Systemerkrankungen, insbesondere der Rheumatoiden Arthritis (RA), positiv beeinflusst. Vor diesem Hintergrund erfuhr das Anfang der 90er Jahre verlassene Konzept der „therapeutischen Pyramide” zusehends eine Transformation in eine „Hit early and hard”-Strategie. Zum anderen wurden durch die „Biologika” (Antikörper gegen Zytokine, Zytokinrezeptoren oder Zelloberflächenmoleküle) erstmalig erfolgreich Substanzen in die Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen eingeführt, deren Entwicklung sich unmittelbar aus Erkenntnissen der Grundlagenforschung zur Pathogenese rheumatischer Erkrankungen ableitete. Die Biologika, insbesondere die TNF-α-blockierenden Substanzen, aber auch Antikörper gegen den B-Zellmarker CD20 (Rituximab), gelten heute als die potentesten Therapeutika vieler entzündlich-rheumatischer Erkrankungen, wie der RA oder der Spondylitis ankylosans (SPA).
Die Umsetzung dieser „Hit early and hard ”-Strategie in eine bessere Patientenversorgung wirft jedoch in Anbetracht der Möglichkeiten und Grenzen der neuen Therapieverfahren derzeit noch eine Vielzahl von Fragen auf. So ist eine Grundvoraussetzung für eine frühe und gezielte Therapie eine möglichst frühe und genaue Diagnose. Symptome und Befunde (z. B. Früharthritis) sind jedoch zu Beginn vieler entzündlich-rheumatischer Erkrankungen oft noch unspezifisch, was die frühe Identifizierung von Patienten mit schlechter Prognose, welche von einer frühen und aggressiven Therapie profitieren, erschwert. Die breitere Anwendung der Biologika zeigte zudem, dass diese keine universell einsetzbaren Wundermittel sind. Während insbesondere die Anti-TNF-α-Therapie bei vielen Patienten, insbesondere mit RA, SPA oder Psoriasisarthritis, zu teilweise dramatischen Verbesserungen führt, sprechen andere Patienten mit derselben Diagnose kaum oder gar nicht an. Zudem konnte in anderen Indikationen, wie bestimmten Kollagenosen oder Vaskulitiden, kein Wirksamkeitsnachweis erbracht werden. Es stellen sich somit für die Zukunft insbesondere drei Fragen: 1. Welche Patienten profitieren von diesen neuartigen Therapieverfahren? 2. Wie können diese Patienten frühzeitig identifiziert werden? 3. Stehen bei den bisher unbefriedigend zu therapierenden Patienten andere Pathomechanismen im Vordergrund, die sich als Ziel einer Therapie anbieten?
Die Zukunft der Rheumatologie wird somit in noch individuelleren Therapien liegen. Es werden verschiedene, gezielt auf bestimmte Immunregulationsmechanismen gerichtete Therapieverfahren zu Verfügung stehen, die dann in unterschiedlicher Kombination für bestimmte Phänotypen und eventuell auch Genotypen eingesetzt werden können (Tab. [1]). Im Folgenden werden einige besonders aktuelle klinische und experimentelle Forschungsergebnisse dargestellt, die für die Rezeptur eines individuellen „therapeutischen Cocktails” der Zukunft von Bedeutung sein könnten.
Tab. 1 Entwicklung neuer Therapieverfahren zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen in den nächsten 5-10 Jahren. Zielstruktur Mechanismus/Moleküle in klinischer Entwicklung Klassische Immunsuppressiva Methotrexat Albumin-gebundenes MTX Azathioprin Hochdosis-Azathioprin-Pulstherapie IMP-Dehydrogenase Mycophenolatmofetil Anti-Zytokin-Therapie TNF-α Neuartige humane monoklonale AK Interleukin-6 monoklonaler AK gegen IL-6-Rezeptor (MRA) Interleukin-15 Fusionsprotein (löslicher IL-15-Rezeptor-α + IgG/Fc), anti-IL-15-AK, anti-IL-2/IL-15Rβ-AK, IL-15-Mutant/Fcγ2a Protein Interleukin-18 monoklonale AK? Chemokine (CCR1) CCR-1 Antagonist (CP-481) Antifibrotische/anti- proliferative Therapie Endothelin Bosentan Anti-B-Zelltherapie Oberflächenmarker (CD20, CD22) monoklonale AK (Rituximab, Epratuzumab) Blys (BAFF) monoklonale AK (Lymphostat-B), lösliche Rezeptoren Kostim. Moleküle (CD40) monoklonale AK Gentherapie Zytokine Blockade der Genexpression, Überexpression von Antagonisten, Gensubstitution bei monogenetischem Defekt Synoviozyten Adenoviraler Gentransfer zur Induktion von Apoptose durch vermehrte Expression von CD95L oder Apo2L („genetische Synovektomie”) oder Hemmung der Synoviozytenangiogenese Abkürzungen: AK = Antikörper, IL = Interleukin, TNF = Tumor-Nekrose-Faktor-Alpha
Die Umsetzung dieser „Hit early and hard ”-Strategie in eine bessere Patientenversorgung wirft jedoch in Anbetracht der Möglichkeiten und Grenzen der neuen Therapieverfahren derzeit noch eine Vielzahl von Fragen auf. So ist eine Grundvoraussetzung für eine frühe und gezielte Therapie eine möglichst frühe und genaue Diagnose. Symptome und Befunde (z. B. Früharthritis) sind jedoch zu Beginn vieler entzündlich-rheumatischer Erkrankungen oft noch unspezifisch, was die frühe Identifizierung von Patienten mit schlechter Prognose, welche von einer frühen und aggressiven Therapie profitieren, erschwert. Die breitere Anwendung der Biologika zeigte zudem, dass diese keine universell einsetzbaren Wundermittel sind. Während insbesondere die Anti-TNF-α-Therapie bei vielen Patienten, insbesondere mit RA, SPA oder Psoriasisarthritis, zu teilweise dramatischen Verbesserungen führt, sprechen andere Patienten mit derselben Diagnose kaum oder gar nicht an. Zudem konnte in anderen Indikationen, wie bestimmten Kollagenosen oder Vaskulitiden, kein Wirksamkeitsnachweis erbracht werden. Es stellen sich somit für die Zukunft insbesondere drei Fragen: 1. Welche Patienten profitieren von diesen neuartigen Therapieverfahren? 2. Wie können diese Patienten frühzeitig identifiziert werden? 3. Stehen bei den bisher unbefriedigend zu therapierenden Patienten andere Pathomechanismen im Vordergrund, die sich als Ziel einer Therapie anbieten?
Die Zukunft der Rheumatologie wird somit in noch individuelleren Therapien liegen. Es werden verschiedene, gezielt auf bestimmte Immunregulationsmechanismen gerichtete Therapieverfahren zu Verfügung stehen, die dann in unterschiedlicher Kombination für bestimmte Phänotypen und eventuell auch Genotypen eingesetzt werden können (Tab. [1]). Im Folgenden werden einige besonders aktuelle klinische und experimentelle Forschungsergebnisse dargestellt, die für die Rezeptur eines individuellen „therapeutischen Cocktails” der Zukunft von Bedeutung sein könnten.
Tab. 1 Entwicklung neuer Therapieverfahren zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen in den nächsten 5-10 Jahren. Zielstruktur Mechanismus/Moleküle in klinischer Entwicklung Klassische Immunsuppressiva Methotrexat Albumin-gebundenes MTX Azathioprin Hochdosis-Azathioprin-Pulstherapie IMP-Dehydrogenase Mycophenolatmofetil Anti-Zytokin-Therapie TNF-α Neuartige humane monoklonale AK Interleukin-6 monoklonaler AK gegen IL-6-Rezeptor (MRA) Interleukin-15 Fusionsprotein (löslicher IL-15-Rezeptor-α + IgG/Fc), anti-IL-15-AK, anti-IL-2/IL-15Rβ-AK, IL-15-Mutant/Fcγ2a Protein Interleukin-18 monoklonale AK? Chemokine (CCR1) CCR-1 Antagonist (CP-481) Antifibrotische/anti- proliferative Therapie Endothelin Bosentan Anti-B-Zelltherapie Oberflächenmarker (CD20, CD22) monoklonale AK (Rituximab, Epratuzumab) Blys (BAFF) monoklonale AK (Lymphostat-B), lösliche Rezeptoren Kostim. Moleküle (CD40) monoklonale AK Gentherapie Zytokine Blockade der Genexpression, Überexpression von Antagonisten, Gensubstitution bei monogenetischem Defekt Synoviozyten Adenoviraler Gentransfer zur Induktion von Apoptose durch vermehrte Expression von CD95L oder Apo2L („genetische Synovektomie”) oder Hemmung der Synoviozytenangiogenese Abkürzungen: AK = Antikörper, IL = Interleukin, TNF = Tumor-Nekrose-Faktor-Alpha
Titel in Übersetzung | Rheumatology - Searching the individual therapeutic cocktail |
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Originalsprache | Deutsch |
Zeitschrift | Deutsche Medizinische Wochenschrift |
Jahrgang | 130 |
Ausgabenummer | 25-26 |
Seiten (von - bis) | 1555-1558 |
Seitenumfang | 4 |
ISSN | 0012-0472 |
DOIs | |
Publikationsstatus | Veröffentlicht - 24.06.2005 |
Strategische Forschungsbereiche und Zentren
- Forschungsschwerpunkt: Infektion und Entzündung - Zentrum für Infektions- und Entzündungsforschung Lübeck (ZIEL)