Abstract

Peinlichkeit ist eine genuin menschliche Emotion, die wir erleben, wenn wir in einem öffentlichen Kontext bloßgestellt werden. Hierbei ist die Fähigkeit zur Perspektivübernahme entscheidend, die es uns ermöglicht zu verstehen, was andere Personen fühlen und über uns denken. Auf neuronaler Ebene ist Perspektivübernahme unter anderem eng mit Aktivität in Bereichen des medialen präfrontalen Kortex und dem Precuneus assoziiert. Gleichzeitig löst das Missgeschick und die erwartete negative Bewertung der Anderen eine emotionale Erregung aus, die durch Aktivierungen der anterioren Insula und des anterioren cingulären Kortex gekennzeichnet ist.Besonders ist hierbei, dass beide Netzwerke nicht isoliert voneinander Peinlichkeit vermitteln, sondern nur gemeinsam durch ihre funktionelle Kopplung mit Strukturen des (para-)limbischen Systems dieses komplexe emotionale Erleben erklären können. Peinlichkeitserleben setzt damit die Anwesenheit anderer voraus, die allerdings ebenfalls emotional auf die Situation reagieren. Dementsprechend kann Peinlichkeit auch stellvertretend für die Missgeschicke und das Fehlverhalten Anderer empfunden werden. Auch bei diesem sogenannten „Fremdschämen“ spielt die Fähigkeit zur Perspektivübernahme eine entscheidende Rolle. Beobachter und Beobachterinnen verinnerlichen die Bedrohung der sozialen Integrität Anderer, was ebenfalls emotionale Erregung, nun stellvertretend, induziert. Derartige interpersonelle Emotionen gewinnen im Kontext klinischer Störungen eine besondere Relevanz. Speziell soziale Angststörungen oder Autismus- Spektrum- Erkrankungen sind dabei zentral mit Auffälligkeiten assoziiert, die sich direkt in sozialen Interaktionen manifestieren. Das kann zu starken Einschränkungen im Sozialverhalten führen und damit das Wohlbefinden der Betroffenen nachhaltig verändern.
OriginalspracheDeutsch
ZeitschriftNeuroforum
Jahrgang22
Ausgabenummer2
Seiten (von - bis)52-59
Seitenumfang8
ISSN0947-0875
DOIs
PublikationsstatusVeröffentlicht - 01.05.2016

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