Abstract
Einführung: Eine multidisziplinär-multimodale Rehabilitation kann dazu beitragen, die Stoffwechselsituation von Diabetes-mellitus-Typ-2-Patienten langfristig zu bessern und damit voraussichtlich auch den aus Folgeerkrankungen entstehenden persönlichen und volkswirtschaftlichen Schaden zu begrenzen. Das Projekt untersucht, wieweit die bei BfA-Versicherten mit Diabetes mellitus durchgeführten (stationären) medizinischen Rehabilitationen mit Empfehlungen evidenzbasierter Leitlinien in Übereinstimmung stehen. Methoden: Wir extrahierten aus ausgewählten nationalen und internationalen Leitlinien die für das rehabilitative Setting relevanten Empfehlungen; sie wurden übergreifenden Behandlungsbereichen (z. B. Schulung, Bewegungstherapie, psychosoziale Interventionen) zugeordnet. Anschließend wurden in der „Klassifikation Therapeutischer Leistungen” (KTL), einem Dokumentationsinstrument, welches in den von der BfA belegten Reha-Einrichtungen eingesetzt wird, diejenigen Leistungen identifiziert, die den extrahierten Leitlinienempfehlungen entsprechen. Diese kodierbaren Leistungen wurden ebenfalls den Behandlungsbereichen zugeordnet. Insgesamt wurden aus Leitlinienempfehlungen und KTL-Kodierungen 9 sog. „Therapiemodule” gebildet. Mit Hilfe der in den Reha-Entlassungsberichten routinemäßig erfassten KTL-Kodierungen können die während der medizinischen Rehabilitation erbrachten Leistungen beschrieben, analysiert und bewertet werden. Es wurden Daten von 9 456 Rehabilitanden der BfA mit der Diagnose eines Diabetes mellitus Typ 1 oder 2, die in den Jahren 2000 und 2001 eine medizinische Rehabilitation erhalten hatten, ausgewertet. Ergebnisse: Mindestens eine Leistung aus dem jeweiligen Therapiemodul erhielt dabei der folgende Anteil der Rehabilitanden (in Klammern die Anzahl der in diesem Modul berücksichtigten KTL-Kodes): Modul „Schulung (3)” - 98,66 %, „Bewegungstherapie (63)” - 92,42 %, „Ernährungsschulung (14)” - 96,44 %, „Stressbewältigungstraining (18)” - 35,33 %, „Motivationsförderung (15)” - 82,87 %, „Krankheitsbewältigung (15)” - 27,42 %, „Klinische Sozialarbeit (26)” - 11,44 %, „Umgang mit Alltagsdrogen (24)” - 3,69 %, „Therapie bei Folgeerkrankungen (81)” - 75,42 %. Durchschnittlich erhielten Rehabilitanden aus 5,2 verschiedenen Modulen Leistungen. Die Werte der genannten Parameter sind über Subgruppen (Typ-1-/Typ-2-Diabetiker, Männer/Frauen) des Kollektivs konsistent. Sie schwanken z. T. erheblich über verschiedene Reha-Einrichtungen (z. B. Anteil der Patienten ohne Leistungen aus dem Modul Ernährungsschulung zwischen 0 % [Reha-Einrichtung A] und 65 % [Reha-Einrichtung B]). Ferner zeigt sich, dass Rehabilitationseinrichtungen mit hohen Fallzahlen eher eine leitliniengerechte Versorgung bieten. Diskussion: Die von den Leitlinien empfohlenen Bereiche „Schulung”, „Bewegungstherapie”, „Ernährungsschulung” und „Motivationsförderung” wurden bei einem hohen Anteil von Rehabilitanden erbracht. Defizite sind u. a. beim Modul „Umgang mit Alltagsdrogen” zu vermerken. Angesichts solcher Defizite und der erheblichen Variationen zwischen Reha-Einrichtungen sollte die Erarbeitung einer Leitlinie zur rehabilitativen Versorgung von Versicherten mit einem Diabetes mellitus begonnen werden. Grundsätzlich sind die Ergebnisse dieser Untersuchung vorsichtig zu interpretieren, da die Beziehung zwischen dokumentierten Leistungen und dem tatsächlichen Leistungsgeschehen im Rahmen dieses Projekts nicht untersucht wurde. Schlussfolgerung und Ausblick: Die Rehabilitation bei Diabetes mellitus durch die von der BfA vorwiegend belegten Reha-Einrichtungen kann als multimodal und mit modernen Leitlinien im Einklang stehend bezeichnet werden. Einzelne Problem- und Risikobereiche sollten in Zukunft stärker berücksichtigt werden. Mit Hilfe einer Leitlinie, welche alle rehabilitativen Aspekte inklusive der Vorbereitung einer medizinischen Rehabilitation sowie der ambulanten Nachsorge berücksichtigt, könnten Behandlungsdefizite ausgeglichen und Unterschiede zwischen Reha-Einrichtungen vermindert werden. Um eine weitreichende Akzeptanz zu erzielen, müsste eine solche Leitlinie in Zusammenarbeit mit allen betroffenen Gruppen (Mitglieder des Reha-Teams, Hausärzte, Patientenvertreter etc.) unter wissenschaftlicher Koordination erarbeitet werden. Die KTL ist, innerhalb gewisser Grenzen, ein geeignetes Instrument, um Aussagen über die Prozessqualität der Rehabilitation bei Diabetes mellitus machen zu können.
Titel in Übersetzung | Inpatient medical rehabilitation in diabetes mellitus in light of evidence based practice guidelines: An evaluation on the basis of BfA routine data |
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Originalsprache | Deutsch |
Zeitschrift | Rehabilitation |
Jahrgang | 42 |
Ausgabenummer | 2 |
Seiten (von - bis) | 94-108 |
Seitenumfang | 15 |
ISSN | 0034-3536 |
DOIs | |
Publikationsstatus | Veröffentlicht - 04.2003 |