Abstract
Hintergrund: Rückenschmerzsurveys haben die Tendenz, Rückenschmerzen zu verabsolutieren und die Kombination dieses Symptoms mit anderen Schmerzen, körperlichen und seelischen Beschwerden und Erkrankungen zu übersehen. Wir untersuchen die Frage, ob und in welcher Weise schwere chronische Rückenschmerzen mehr sind als Schmerzen im Rücken und ob sie das gesundheitliche Hauptproblem der von ihnen Betroffenen darstellen. Probanden und Methoden: Dargestellt werden Teilergebnisse eines regionalen zweistufigen Surveys aus den Jahren 1998 - 2000. Die initiale postalische Befragung bezog alle 10 000 berufstätigen Versicherten der Landesversicherungsanstalt (LVA) Schleswig-Holstein aus Lübeck und seiner unmittelbaren Umgebung im Alter von 40 - 54 Jahren ein (68 % Männer). Zu einer sozialmedizinischen Untersuchung eingeladen wurden Personen mit schwergradigen Rückenschmerzen, einem beeinträchtigten subjektiven Gesundheitszustand und einer rezenten Arbeitsunfähigkeit. Die Antwortrate betrug knapp 58 %, die Teilnahmerate an der Untersuchung (im Mittel 93 Tage nach dem postalischen Fragebogen) gut 65 %. Es gibt Hinweise auf gegenläufige Selektionseffekte von Nonresponse und Nichtbeteiligung. Dargestellt werden die Daten der 335 Untersuchten. Ergebnisse: Trotz eines hohen Anteils von männlichen Probanden und der ausschließlichen Untersuchung von Berufstätigen ist die Prävalenz aktueller Rückenschmerzen (RS) in den letzten 7 Tagen hoch (68 %; schwergradige RS 16 %). Unter den der Einladung folgenden Probanden gaben 82 % an, auch am Untersuchungstag, an Rückenschmerzen zu leiden. 18 % zeigten in diesem kurzen prospektiven Follow-up (und zu 87 % auch retrospektiv) einen episodischen Verlauf. Die Probanden der ersten Gruppe mit zum Untersuchungstermin wiederkehrenden oder anhaltenden Rückenschmerzen berichteten in 82 % von einem chronisch-wellenförmigen und zu 61 % von einem sich verschlechternden Verlauf. Sie schilderten sich vielfältig und stärker körperlich und seelisch belastet. Bei ihnen scheint es zu einer Ausweitung der Beschwerde in zeitlicher und räumlicher Hinsicht und auf andere Funktions- und Organsysteme gekommen zu sein („Amplifikation”). Von allen Untersuchten bezeichneten 35 % die Rückenschmerzen als ihr Hauptproblem, 49 % nannten Rückenschmerzen und andere Störungen und nur 16 % andere gesundheitliche Einschränkungen, oft wieder im Bereich der Bewegungsorgane. Zusammenfassung und Schlussfolgerung: Rückenschmerzen sind unter berufstätigen Versicherten einer LVA im Alter von 40 - 54 Jahren häufig und bei höherem Schweregrad in aller Regel mit anderen Schmerzen, körperlichen und seelischen Beschwerden bzw. Krankheiten vergesellschaftet. Die Berücksichtigung von Beschwerdeausweitungen und Komorbiditäten lässt eine vorher homogene Gruppe von Versicherten mit schweren und behindernden Rückenschmerzen inhomogen erscheinen. Es liegt nahe, die erzielten Differenzierungen der Beschwerden bzw. Probanden auf ihren Nutzen für die Indikationsstellung und Zuweisung zur medizinischen Rehabilitation sowie deren konkrete Ausgestaltung zu prüfen.
Titel in Übersetzung | Chronic back pain: More than pain in the back. Findings of a regional survey among insurees of a workers pension insurance fund |
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Originalsprache | Deutsch |
Zeitschrift | Rehabilitation |
Jahrgang | 42 |
Ausgabenummer | 4 |
Seiten (von - bis) | 195-203 |
Seitenumfang | 9 |
ISSN | 0034-3536 |
DOIs | |
Publikationsstatus | Veröffentlicht - 08.2003 |