Bewegungsstörungen sind neurologische Erkrankungen, die durch Hyper- oder Hypokinesen oder eine Kombination daraus gekennzeichnet sind. Dazu zählen u. a. die Dystonien, die durch anhaltende Muskelkontraktionen charakterisiert sind und zu abnormen Haltungen führen. Häufig beginnt eine Dystonie im Kindesalter, besonders, wenn sie genetisch bedingt ist. Allerdings weisen die Dystonien eine große genetische Heterogenität auf. Aktuell sind mehr als 35 Gene für isolierte, kombinierte oder komplexe Formen bekannt, was die molekulare Diagnose mit herkömmlichen Untersuchungen schwierig macht. Trotz der Weiterentwicklung genetischer Untersuchungsmethoden (next generation sequencing, NGS) und der hohen Vererbbarkeit von Dystonien, bleibt die Ursache der Dystonie bei vielen Patienten noch im Dunkeln. Rezessiv vererbte genetische Erkrankungen treten besonders häufig bei konsanguinen Familien auf und lassen sich in diesen mittels NGS relativ einfach identifizieren. Es gibt zahlreiche Beispiele, dass so gefundene genetische Ursachen, dann auch bei anderen Familien eine Rolle spielen, wo sie aber nicht so leicht zu detektieren sind. In Zusammenarbeit mit Kollegen in Pakistan und der Türkei haben wir große Dystonie-Familien mit verwandten, aber nicht betroffenen Eltern identifiziert, die eine homozygote Mutation als Krankheitsursache nahe legen. Unser beantragtes Projekt umfasst zwei Ziele: 1) Die Rekrutierung von 12 solcher Familien bei denen eine standardisierte neurologische Untersuchung durchgeführt und Probenmaterial gesammelt wird und 2) die Anwendung von NGS in Form von Exom-Sequenzierung, um die genetische Ursache bei diesen Familien zu identifizieren. Interessante Varianten werden mittels Segregationsanalyse durch Sanger-Sequenzierung validiert werden. Außerdem werden wir weitere Patienten und Kontrollen auf seltene Varianten in diesen Kandidatengenen untersuchen. Wir gehen davon aus, dass wir neue Dystoniegene finden und das phänotypische Spektrum von bekannten Genen erweitern werden. Unsere Studien können zu einer einfacheren Diagnosestellung bei und gezielteren Therapie von Patienten beitragen und zu einem besseren molekularen Verständnis von Dystonien führen.
Das Projekt hatte zum Ziel, neue, rezessive Dystonie-Gene bei 12 konsanguinen Familien mittels Exom-Sequenzierung zu identifizieren. Wir konnten insgesamt 108 DNA-Proben von 15 Familien rekrutieren. Patienten hatten häufig eine komplexe Form der Dystonie, d. h. die Dystonie war durch andere Erkrankungen wie Ataxie, Spasik oder Entwicklungsverzögerung begleitet. Wir konnten die genetische Ursache bei mindestens 9 Familien (60%) aufklären und fanden Mutationen in ATCAY, APTX, CAPN1, ECEL1, GNE, PANK2, PNPLA6, PNPT1 und SACS sowie in MCOLN1 als ein plausibles Kandidaten-Gen. Mutationen in diesen Genen waren bereits bei anderen neurologischen Syndromen gefunden wurden, manche davon auch erst kürzlich wie z.B. CAPN1 oder PNPLA6. ATCAY-Mutationen wiederum waren bisher nur auf einer Insel in der Karibik gefunden wurden, so dass wir hier erstmals zeigen konnten, dass dieses Gen auch bei anderen ethnischen Gruppen relevant ist. Neu ist auch, dass wir für einige der Gene erstmals zeigen konnten, das Mutationen auch zu dystonen Symptomen führen können wie beispielsweise für MCOLN1, PNPLA6, ECEL1 und GNE, d. h. wir konnten hier das phänotypische Spektrum erweitern. Außerdem wurden biallelische Mutationen in COL6A3 während der Projektlaufzeit als eine neue Ursache einer rezessiven Dystonie von einer anderen Arbeitsgruppe publiziert. Wir konnten diesen Befund in unseren eigenen fast 1000 Patienten jedoch nicht bestätigen.