Genetische Risikofaktoren der Musiker-Dystonie

Projekt: DFG-ProjekteDFG Einzelförderungen

Projektdetails

Projektbeschreibung

Die Musiker-Dystonie (MD) ist eine häufige Form der fokalen, Aufgaben-spezifischen Dystonie (FASD) und tritt während des Spielens eines Instrumentes auf. Eine positive Familienanamnese bei 25 % der Patienten legt eine Rolle (noch unbekannter) genetischer Faktoren nahe. Bisher sammelten wir 300 klinisch gut charakterisierte MD-Patienten; von denen ein Viertel eine positive Familienanamnese für eine FASD aufweist. Bis Anfang 2010 werden wir weitere 300 MD-Patienten rekrutieren. Genomweite Assoziationsstudien (GWA) haben kürzlich zur Aufklärung der genetischen Ursachen verschiedener komplexer Erkrankungen beigetragen. Eine solche Studie wurde bisher für die Dystonien nicht veröffentlicht. Daher werden wir eine GWA bei 400 MD-Patienten mit dem humanen Affymetrix SNP Array 6.0 durchführen. Diese Probenanzahl reicht aus, um Effekte mit einem odds ratio (Chancenverhältnis) von > 2,0 zu detektieren. Bei einer Replikationsstudie werden relevante Varianten bei weiteren 200 MD- und 200 anderen FASD-Patienten untersucht. Darüber hinaus werden wir eine Feinkartierung, eine Segregationsanalyse in entsprechenden Familien sowie die Sequenzierung von Kandidatengenen durchführen. Für Meta-Analysen werden die Genotypen-Daten öffentlich verfügbar sein. Die Aufklärung der genetischen Ursachen der MD wird uns helfen, die Pathophysiologie dieser, aber auch anderer Dystonieformen zu verstehen und neue therapeutische Optionen aufzeigen.

Ergebnisbericht

Wir haben unser Projekt zur “Identifizierung von genetischen Risikofaktoren bei Musiker-Dystonie” erfolgreich abgeschlossen. Musiker-Dystonie (MD) ist durch einen Verlust der Kontrolle willkürlicher Bewegungen während des Instrumentenspiels gekennzeichnet. Die Erkrankung betrifft ungefähr 1 – 2 % der professionellen Musiker und führt oft zum Karriereende. Daher ist die MD nicht nur von großem medizinischen sondern auch von soziokulturellem Interesse, besonders auch weil prominente Musiker wie Leon Fleisher oder Robert Schumann betroffen sind bzw. waren. Bemerkenswert ist, dass 44 % der MD-Patienten eine komplexere Form der Dystonie entwickeln, wobei die MD dann häufig mit einem Schreibkrampf kombiniert ist. Beide Fähigkeiten, sowohl das Spielen eines Instruments als auch das Schreiben beruhen auf intensiv geübten feinmotorischen Finger- und Handbewegungen. Wenig ist bisher über genetische Risikofaktoren sowohl bei der MD als auch beim Schreibkrampf bekannt, obwohl 20 % der MD-Patienten betroffene Angehörige haben. Bevor wir die genomweite Assoziationsstudie zur Identifizierung genetischer Risikofaktoren begonnen haben, wollten wir häufige monogene Ursachen einer Dystonie ausschließen. Daher sequenzierten wir das TorsinA-Gen (TOR1A) bei 184 MD-Patienten. Wir identifizierten einen Träger der GAG-Deletion (c.904_906delGAG) im TOR1A-Gen. Die 26-jährige Patientin hatte im Alter von 13 Jahren eine unwillkürliche Verkrampfung ihrer rechten Hand beim Gitarrespielen bemerkt. Um genetische Risikofaktoren der MD zu beleuchten, führten wir eine zweistufige genomweite Assoziationsstudie (GWAS) bei MD-Patienten kaukasischer Abstammung durch. Genotypen an 557.620 Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNPs) für 127 MD-Patienten und 984 Kontrollen überstanden die strenge Qualitätskontrolle. Zehn SNPs zeigten P<10-5 und wurden in der Replikationsphase bei 116 MD-Patienten und 125 gesunden Musikern weiter untersucht. Ein SNP mit genomweiter Signifikanz (P<5×10 -8) wurde bei weiteren 208 deutschen oder niederländischen Schreibkrampf-Patienten, bei 1.969 kaukasischen, spanischen und japanischen Patienten mit anderen Formen einer fokalen oder segmentalen Dystonie sowie bei 2.233 Kontrollen der entsprechenden Abstammung genotypisiert. Wir konnten dadurch zeigen, das eine intronische Variante (rs11655081) im Arylsulfatase G-Gen (ARSG) eine genomweit signifikante Assoziation mit MD zeigt (P=3.95×10-9; odds ratio [OR]=4.33; 95% confidence interval [CI]=2.66-7.05). rs11655081 war auch mit Schreibkrampf assoziiert (P=2.78×10-2), aber nicht mit irgendeiner anderen fokalen oder segmentalen Dystonie. Erwähnenswert ist, dass die Häufigkeit von rs11655081 stark bei den einzelnen Populationen variiert. Die Populations-Stratifikation in unserer Stichprobe war moderat mit einem λ=1.07; es ist daher möglich, dass die Effektstärke überschätzt ist. Folglich zeigen wir Daten, die eine mögliche Assoziation von MD und dem ARSG-Gen aufzeigen. Die Variante trägt auch zum Erkrankungsrisiko für einen Schreibkrampf bei. Jedoch müssen unsere Ergebnisse in einer unabhänigen Studie bestätigt werden, auch um die Effektstärke besser abschätzen zu können. Da MD eher selten ist, wird dazu ein internationales Konsortium nötig sein. Während der Studie haben wir uns intensiv mit den Vorzügen und Limitierungen genomweiter Assoziationsstudien auseinander gesetzt. Wir hatten das Gefühl, dass es nötig wäre, einmal zu betonen, dass starke Effekte (Risikofaktoren) auch durch die Untersuchung einer relative kleinen Stichprobe gefunden werden können und dass eigentlich nur diese starken Effekte von klinischer Relevanz für Patienten sein können.
Statusabgeschlossen
Tatsächlicher Beginn/ -es Ende01.01.1031.12.13

UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung

2015 einigten sich UN-Mitgliedstaaten auf 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) zur Beendigung der Armut, zum Schutz des Planeten und zur Förderung des allgemeinen Wohlstands. Die Arbeit dieses Projekts leistet einen Beitrag zu folgendem(n) SDG(s):

  • SDG 3 – Gesundheit und Wohlergehen

Strategische Forschungsbereiche und Zentren

  • Querschnittsbereich: Medizinische Genetik

DFG-Fachsystematik

  • 206-02 Molekulare Biologie und Physiologie von Nerven und Gliazellen