Ziel der Klinischen Forschergruppe ist die Erforschung der Frühpathogenese der Wegenerschen Granulomatose (WG), d.h. der zur Granulombildung und Autoimmunität führenden Prozesse. Die WG ist eine chronisch entzündliche Systemerkrankung unklarer Krankheitsursachen. Die WG kann als Modellerkrankung für die Entstehung einer Autoimmunerkrankung aus einem fehlgesteuerten Entzündungsprozess gelten, da sie als lokale, granulomatöse Entzündung im Respirationstrakt beginnt und nach einer variablen Zeitspanne in eine lebens- und/oder organbedrohende, systemische Autoimmunvaskulitis mündet. Während der Pathomechanismus der Autoimmunvaskulitis in seinen Grundprinzipien weitgehend geklärt erscheint, liegt die Frühpathogenese, d.h. die Induktion und die exogen wie endogen beeinflusste Pathodynamik der granulomatösen Entzündung und Autoimmunität, nach wie vor im Dunkeln.
Kernfragen der WG-Frühpathogenese betreffen u.a. die Induktion der ANCA, also der Vaskulitis-assoziierten und gegen das "Wegenersche Autoantigen" (Proteinase 3, PR3) gerichteten, antineutrophilen zytoplasmatischen Autoantikörper (PR3-ANCA). Hierbei geht es speziell darum, warum (und wo) die PR3 zum exklusiven Zielautoantigen wird und welche Faktoren (genetische, exogene Einflüsse) in der granulomatösen Entzündung zu keimzentrumsähnlichen Follikeln führen, die mit der Autoimmunität bei der WG im Zusammenhang gebracht werden.
Die Induktion der granulomatösen Entzündung im Respirationstrakt und die postulierte, darauf folgende Ausbildung tertiärer, lymphatischer Strukturen werden von uns als ein kontinuierlicher Vorgang in der WG-Frühpathogenese verstanden. Dieser Prozess nimmt mit der Granulombildung in der lokalisierten Form der WG seinen Ausgang und findet mit der schrittweisen Ausbildung lymphatischer Strukturen im Granulom und Induktion von PR3-ANCA in der frühen Generalisation (engl. "early systemic WG") seine Vollendung und ist Gegenstand unserer Forschung in verschiedenen Einzelprojekten.
Die verschiedenen, an der Klinischen Forschergruppe beteiligten Disziplinen analysieren Zellsysteme und Molekülstrukturen der angeborenen und adaptiven Immunität. Besonderes Augenmerk gilt dabei "Dangerrezeptoren" und "Dangermolekülen" (z.B. PAR-2, PR3). Darüber hinaus soll die Rolle von endogenen und exogenen Faktoren, dendritischen Zellen und T-Zellen im Hinblick auf die Granulomentwicklung ebenso wie die Keimzentrumsentwicklung im Granulom studiert werden.
Die Granulomatose mit Polyangiitis (GPA, bis 2011 Wegener`sche Granulomatose) ist eine potenziell lebensbedrohliche, chronisch entzündliche Systemerkrankung unbekannter Ätiologie. Die pathologischen Kernmerkmale der GPA sind eine hauptsächlich den oberen und/oder unteren Respirationstrakt betreffende granulomatöse Entzündung und eine systemische, mit Proteinase 3-spezifischen Anti-Neutrophilen zytoplasmatischen Autoantikörpern (PR3-ANCA)-assoziierte Kleingefäßvaskulitis. Während die ANCA-induzierte Vaskulitis als pathogenetische Endstrecke der GPA experimentell gut untersucht ist, fehlten lange Zeit profunde Untersuchungen zur Pathogenese der granulomatösen Entzündung und damit zur frühesten klinisch evident werdenden Manifestation der GPA. Ausgehend von der Hypothese, dass der granulomatösen Entzündung eine Barrierestörung im Respirationstrakt zugrunde liegt, in deren Folge es zu einer nekrotisierenden und chronisch granulomatösen Entzündung mit Ausbildung ektoper lymphatischer Strukturen, der Induktion von PR3-ANCA und PR3-ANCA assoziierten Autoimmunvaskulitis kommt, wurden in 6 Teilprojekten der KFO170 unterschiedliche Facetten des Entzündungsprozesses und des Toleranzverlustes untersucht. Zu den wesentlichen Ergebnissen und neuen Erkenntnissen zählen die Charakterisierung von Komponenten der Barrierestörung des respiratorischen Epithels (z.B. Ziliendysfunktion, Transkriptommodifikation), die Analyse der dendritischen Zellreifung und NETs (Neutrophil Extracellular Traps)-induzierten adaptiven Immunantwort, von Alterationen im T-Zell-Kompartiment einschließlich einer Verminderung zirkulierender Vδ2 T-Zellen, eines aberranten Th17/22 Zytokinprofils PR3-spezifischer T-Zellen und Funktionsstörungen von regulatorischen T-Zellen, die Charakterisierung ektoper lymphatischer Strukturen in der granulomatösen Entzündung einschließlich der Untersuchung des Immunglobulinrepertoires potenziell autoreaktiver intraläsionaler Plasmazellen, die Etablierung des ersten Maus-Xenograft-Modells, durch das Mechanismen der Granulompathogenese untersucht und Fibroblasten als Hauptmediatoren der Knorpeldestruktion und Hypoxie und Nekrose als Mediatoren der chronisch persistierenden Entzündung bei der GPA erkannt wurden, die Identifizierung von verschiedenen mit Regulationsstörungen von Entzündungsprozessen einher gehenden GPA-assoziierten Genpolymorphismen (IRF-5, TLR9, CD226, LEPR, IL2RA), der Nachweis von HMGB1 als Biomarker der CT-morphologisch bestimmbaren Granulomlast und eines verbesserten klinischen Outcomes von GPA-Patienten in der monozentrischen Schwerpunktversorgung. Mit diesen Untersuchungen ist es der KFO170 gelungen, erstmals grundlegende Aspekte des wechselseitigen Zusammenhangs zwischen der chronisch persistierenden Entzündung und Autoimmunität bei der GPA herauszustellen. Die KFO170 hat dadurch Perspektiven für die experimentell gestützte Definition neuer Therapieziele eröffnet, um den Fernzielen einer Heilung und Prävention der GPA näher zu kommen.