In Teilprojekt 4 (erste Förderperiode) konnte gezeigt werden, dass der zerebrale Gehalt an Hochenergiephosphaten unter Hypo- und Hyperglykämie in engen Grenzen konstant gehalten wird, das Gehirn also intrinsisch Allokation betreibt. Die VEGF-Konzentrationen als Mediatoren der zerebralen Glukoseversorgung adaptieren entsprechend mit einem Anstieg unter Hypo- und einem Abfall unter Hyperglykämie. Teilprojekt B2 soll nun diese zerebrale Energieabforderung (Allokation) weiter fokussieren. Im Gehirn sind sowohl die Adenosintriphosphat-Synthase (ATPase) als auch die Kreatin-Kinase (CK)-Reaktionen im metabolischen Netzwerk aus y-ATP, Phosphokreatin (PCr) und anorganischem Phosphat (Pi) im chemischen Gleichgewicht. Die Grundannahme des Projektes ist, dass durch direkte Stimulation bzw. Suppression des neuronalen Energieverbrauchs Allokationsprozesse vom Gehirn initiiert werden. Das Gehirn fordert aus der Peripherie so viel Energie ab, wie es zur Deckung des Bedarfs benötigt („Pullprinzip ). Zur Überprüfung dieser Hypothese wird in Projekt B2 der neuronale Energiebedarf unter konstanter peripherer Energiezufuhr (mittels euglykämischer Clamps) durch direkte Aktivierung/Inhibition moduliert und dessen Manifestation auf neuroenergetischer, endokriner und metabolischer Ebene beim Menschen untersucht.
In der ersten Förderperiode von KFO 126 konnte gezeigt werden, dass dem zerebralen Gehalt an Hochenergiephosphaten unter systemischer Hypo- und Hyperglykämie gegenüber der Peripherie der Vorrang gegeben wird, das Gehirn also intrinsisch Allokation betreibt. Basierend auf diesen Erkenntnissen hatte Teilprojekt B2 zum Ziel, diese zerebrale Energieabforderung (Allokation) weiter zu fokussieren, ihre Modulierbarkeit zu testen und Zusammenhänge mit der metabolischen Regulation auf Systemebene in einer Reihe von experimentellen Human-Studien näher zu beleuchten. Zunächst gelang es, den für das Selfish Brain-Modell entscheidenden Nachweis zu erbringen, dass adipöse Menschen entsprechend der Grundannahme nicht nur einen signifikant geringeren Gehalt an Hochenergiephosphaten im Hirn aufweisen als normalgewichtige Personen, sondern es innerhalb eine Kollektivs von adipösen, untergewichtigen und normalgewichtigen Probanden sogar einen direkten inversen Zusammenhang zwischen zerebralen Hochenergiephosphaten und body mass index (BMI) gibt. In der Tat scheint also die zerebrale Energieallokation mit der Körpermasse in Zusammenhang zu stehen, was auf eine Allokationsstörung bei erhöhtem Körpergewicht schließen lässt. Diese für die gesamte Forschergruppe grundlegende Arbeit wurde 2009 mit dem Ernst und Berta Scharrer-Preis (PI Oltmanns) ausgezeichnet. In diesem Zusammenhang konnten wir ebenfalls zeigen, dass auch untergewichtige Probanden - analog wie adipöse - eine Glukoseintoleranz aufweisen, was bislang nicht bekannt war und in seiner Deutlichkeit überrascht. In einem folgenden Ansatz sollte die Annahme getestet werden, dass durch direkte Stimulation bzw. Suppression des neuronalen Energieverbrauchs Allokationsprozesse vom Gehirn initiiert werden mit entsprechenden Auswirkungen auf systemischer Ebene. Zur Überprüfung dieser Hypothese wurde der neuronale Energiebedarf unter konstanter peripherer Energiezufuhr (mittels euglykämischer Clamps) durch direkte Aktivierung mittels transkranieller Gleichstromstimulation (tDCS) bzw. Inhibition durch Hypoxie-Induktion moduliert und dessen Manifestation auf neuroenergetischer, endokriner und metabolischer Ebene beim Menschen untersucht. Die Ergebnisse zeigen hypothesengerecht, dass die tDCS in der Tat zu einem initialen Abfall der zerebralen Hochenergiephosphate mit anschließender Überkompensation führt, was auf eine erhöhte Allokation schließen lässt, und umgekehrt Hypoxie einen dauerhaften Abfall des zerebralen Energiegehalts bewirkt. Der biphasische Verlauf der zerebralen Hochenergiephosphate nach tDCS korreliert darüber hinaus beeindruckend deutlich mit einem signifikanten Anstieg der systemischen Glukosetoleranz und einer Deaktivierung beider Stressachsen. Diese Daten lagen auch einer Reihe von mathematischen Modellbildungen hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Hirnenergie und systemischem Glukosestoffwechsel zugrunde. In einer weiteren Studie konnten wir darüber hinaus nachweisen, dass die Höhe der zerebralen Hochenergiephosphate einen Prädiktor für die anschließend verzehrte Menge an Kalorien darstellt. Erhöht man nun den zerebralen Energiestatus durch intranasale Gabe von Insulin, so sinkt die Kalorienaufnahme in Abhängigkeit vom Anstieg der Hochenergiephosphate im Hirn. Diese Daten verdeutlichen überzeugend, dass die menschliche Nahrungsaufnahme - entsprechend dem Selfish Brain-Modell - zentral vom zerebralen Energiestatus abhängt. In einer weiteren Studie haben wir die Auswirkungen von experimentell induziertem psychologischem Stress (mittels modifiziertem TSST) auf die neuronale Aktivierung und die zerebralen Energiehomöostase untersucht. Die Daten sind derzeit noch in der finalen Auswertung, deuten aber bereits auf hypothesenkonforme Erkenntnisse hin.