Ein wesentliches Ziel des Z-Projektes ist die Theoriebildung und -prüfung. Hier legen wir die theoretische Grundlage für die gesamte Forschergruppe. In der ersten Förderperiode haben wir eine Konzeptarbeit zur Selfish-Brain-Theorie publiziert und dabei das „Push-/Pull-Prinzip herausgestellt. Mit dieser Arbeit schufen wir den theoretischen Rahmen, um den Energiemetabolismus systemisch als Lieferkette zu analysieren. Wir zeigten Evidenzen dafür auf, dass das Gehirn den Energiemetabolismus im Organismus vorrangig mit Hilfe von Pull- Mechanismen koordiniert. Die in der ersten Förderphase entwickelten nicht-invasiven Methoden zur Bestimmung des Gehirn-Kortikosteroidfeedbacks planen wir nun zu erweitern, um die Analyse von Daten aus dem „Trier Social Stress Test (TSST) zu ermöglichen. Gleichzeitig beabsichtigen wir, Daten aus oralen Glukosetoleranz-Tests (OGTT) zu analysieren, um das zentrale Glukose-Feedback bei verschiedenen Individuen zu quantifizieren. Die Untersuchung dieser zentralen Feedbackparameter erlaubt es, Patienten mit Adipositas metabolisch komplex zu charakterisieren. Die Theorie-abgeleiteten Hypothesen werden mit Hilfe von vier Experimenten getestet. Im Experiment 1 werden die MR/GR-Balance und das zentrale Glukose-Feedback bei adipösen und normalgewichtigen Personen analysiert. Im Experiment 2 werden die Feedbackparameter unter dem Einfluss einer achtwöchigen Intervention zur Gewichtsreduktion untersucht, und Experiment 3 identifiziert die Auswirkungen einer exogenen energetischen Push-Zufuhr oder einer Zufuhr als Pull auf die Stressantwort im TSST. Im Experiment 4 untersuchen wir, ob eine Energiezufuhr als Push oder Pull die pathologisch erhöhten ACTH-Konzentrationen bei Patienten mit Morbus Addison beeinflusst.
Im Zentrum des Z-Projektes stand die Analyse der Lieferkette des menschlichen Gehirns. Dazu wurden Stressexperimente durchgeführt an dünnen und korpulenten Probanden. Im Rahmen des Trier Social Stress Tests (TSST) wurden die Versuchspersonen über eine Zehn-Minuten Phase stressbelastet. Danach hatten sie Zugang zu einem Buffet. Das Ergebnis der Studie war, dass während des zehnminütigen Stressintervalls der Energiebedarf des Gehirns anstieg, das Gehirn während der Stressepisode durch Aktivierung des Stresssystems Energie aus dem Körper anforderte. In der Erholungsphase aßen die Probanden mehr Kohlenhydrate, um die Körperspeicher wieder aufzufüllen. Das Hauptergebnis der Studie war, dass schlanke Probanden eine hohe Stressreaktivität aufwiesen, während korpulente Probanden eine niedrige Stressreaktivität hatten. Die Stressreaktivität schloss neuroenergetische, emotionale und kardiovaskuläre Reaktionen ein. Korpulente Probanden zeigten eine niedrigere Kortisol-Antwort im Stresstest und während der nachfolgenden Mahlzeit eine niedrigere Reaktivität des Vigilanzstatus, eine niedrigere Reaktivität in der zerebralen Insulinsuppression und eine niedrigere Reaktivität in der Veränderung des neuroglukopenischen Status. Außerdem war die emotionale Reaktivität im Stresstest bei den korpulenten Probanden vermindert (Angst, körperliches Unwohlsein, Traurigkeit). Die Reaktivität des Stresssystems erwies sich als zentrale Größe in der Lieferkette des menschlichen Gehirns. Dazu wurde eine mathematische Analyse der Lieferkette nach dem Push/Pull Ansatz veröffentlicht. Wir konnten mathematisch beweisen, dass die Lieferkette des Gehirns folgende inhärente Eigenschaft aufweist: die Reaktivität des Stresssystems (Brain-Pull Funktion) verhält sich streng invers zum Energiefüllstand im Körper (Körpermasse). Diese theoretischen Vorhersagen haben sich, wie oben beschrieben, experimentell bestätigt. Basierend auf den experimentellen und theoretischen Ergebnissen hat der KFO-Leiter zusammen mit Bruce McEwen, Rockefeller University, einen Klärungsvorschlag zum sog. Gewichtsparadox veröffentlicht. Dazu ist ein Special Issue zum Thema ‚Allostasis and allostatic Load’, edited by Bruce McEwen and Achim Peters, erschienen in der Zeitschrift Physiology and Behavior. Darin ist der State of the Art der modernen Stressforschung dargelegt. Im einführenden Editorial wird aufgezeigt, wie die Widersprüche im Gewichtsparadox zu erklären sind, wenn man die Rolle der Stressreaktivität und des Hirnstoffwechsels berücksichtigt. Da Stress sowohl das Körpergewicht als auch die Sterblichkeit beeinflusst, ist es als möglicher konfundierender Faktor aus der Beziehung zwischen Körpermasse und Sterblichkeit nicht wegdenkbar. Vor diesem Hintergrund lösen sich die Widersprüche des obesity paradox auf, wenn man die Stressreaktivität als konfundierenden Faktor mit berücksichtigt. Diese Ergebnisse werden derzeit weltweit intensiv diskutiert.