Bis jetzt wurden mehr als 1938 Virusspezies (287 Genera aus 73 Familien) identifiziert. Viren sind obligate Parasiten, die das Enzymreservoir und die Metaboliten der Wirtszelle ausnutzen. Sie können sich sehr schnell und effizient an Veränderungen der Wirtszelle, der Immunantwort und der medikamentösen Behandlung anpassen. Die Ausnutzung von Metaboliten der Wirtszelle wie etwa Glukose durch die Viren kann zu Gegenmaßnahmen des auf Glukose angewiesenen, eigennützigen Gehirns führen. Diese Vorstellung führt zu der Hypothese, dass bestimmte Viren in der Lage sein müssen, auf deutliche Gegenmaßnahmen des Gehirns zu reagieren, indem sie z.B. den Metabolismus des Gehirns stören. Das humane T-Zell Leukämie Virus Typ-1 (HTLV-1, ein Deltaretrovirus) benutzt den GLUT1-Glukosetransporter als Rezeptormolekül des Wirts. GLUT1 ist jedoch von lebensnotwendiger Bedeutung für den Glukosestoffwechsel des Gehirns. Es konnte gezeigt werden, dass die Bindung des viralen 212 Glykoproteins SU (Oberflächen Untereinheit) an GLUT1 den Glukosetransport blockieren kann. Wir beabsichtigen, kurze, vom Glykoprotein abgeleitete Peptide zu identifizieren, die den Glukosetransport verhindern können. Durch die Verwendung einer chemischen Fragmentbibliothek kann das Screening noch erweitert werden. Verbindungen, die spezifisch GLUT1, aber nicht GLUT3 blockieren, werden benötigt, um den Astrozyten - Neuron Laktat- Shuttle detailliert untersuchen zu können. Nach Glutamat-Stimulierung versorgen die Astrozyten die Neuronen mit Laktat, welches aus Glukose gebildet wird (sogenannter Astrozyten - Neuron Laktat-Shuttle). Es ist möglich, dass eine Unterbrechung des Astrozyten - Neuron Laktat-Shuttles die Energieflüsse im gesamten Organismus beeinträchtigen könnte. Ein metabolisches Profiling von Astrozyten (und Neuronen) in Gegenwart von GLUT1-inhibierenden Peptiden/Verbindungen ist geplant.
Die Verwendung von Erythrozyten oder Ghost Membran-Vesikeln aus Erythrozyten zur Auffindung von Human T-Lymphotropic Virus 1 (HTLV-1) abgeleitete Peptidfragmente, die den Glucose Transporter 1 (Glut1) blockieren und so den zerebrale Metabolismus beeinflussen, ist bis auf weiteres erfolglos verlaufen. Einerseits stellte sich heraus, dass die Qualität der hergestellten Ghosts entgegen Berichten der betagten Primärliteratur nicht ausreichend waren und andererseits konnte das durch Glut-1 transportierte Reportermolekül NBD-Glucose in Anwesenheit von Erythrozyten nicht befriedigend angeregt werden. Folglich wurden alle Experimente auf primäre Astrozytenkulturen umgestellt. Nebst HTLV-1 abgeleitete Peptidfragmente wurden unter anderem Poly(I:C), Lipopolysaccharid (LPS), Cytochalasin B, Glutaminsäure und Chitin als Negativ-Kontrolle verwendet. Völlig überraschend war der Effekt von Chitin auf die Astrozytenkulturen, da Chitin in der Primärliteratur als weitestgehend neutral beschrieben wird. Es stellte sich heraus, dass der Effekt von Chitin auf die primären Astrozytenkulturen dem Effekt von Desferrioxamin (DFO) um ein Vielfaches übertrifft. DFO löst einen Hypoxie-analogen Effekt in Astrozytenkulturen aus: Der Transkriptionsfaktor Hypoxie-induzierbarer Faktor 1 alpha (HIF-1 alpha) wird unter Sauerstoffmangel stabilisiert und vom Zytosol zur Expressionsregulierung vieler Proteinen, unter anderem Glut1, in den Zellkern verlagert. Chitin-Fragmente sind anscheinend in der Lage den zerebralen Energiemetabolismus zu modulieren. Chitin ist ein wesentlicher Bestandteil von Pilzzellwände. Pilzinfektionen wie eine Aspergillose persistieren über längere Zeit im Körper und können zum Tode führen. Astrozyten sollten jedoch über Toll-verwandte Rezeptoren (vermutlich TLR-2) in der Lage sein Chitin zu erkennen, um so eine passende Immunantwort gegen die Pilzinvasion in die Wege zu leiten. Die Immunantwort umfasst auch die Produktion von Stickstoffmonoxid (NO). In Zusammenarbeit mit der Selfish Brain Gruppe von Dr. Olaf Jöhren konnte belegt werden, dass NO die aerobe Glykolyse in Astrozyten steigert. Die Praxis zeigt dennoch, dass Pilze zu spät vom Immunsystem erkannt werden, da Pilze sogenannte Effektormoleküle ausscheiden. In Kooperation mit Dr. Jöhren konnten wir zeigen, dass die gleichzeitige Zugabe von Chitin und Effektormolekül keinen Hypoxie-analogen Effekt in Astrozytenkulturen auslöst. Dieser Befund erklärt warum Pilze kaum oder erst spät vom Immunsystem erkannt werden. Für die Publikation des Hypoxie-analogen Effektes des Chitins in Astrozytenkulturen fehlt noch der Nachweis, dass der Chitin-Effekt über TLR2 verläuft (in Arbeit). Um zu verstehen, wie diese Effektormoleküle die zellulären Chitin Rezeptoren ausblenden, wurde die Kristallstruktur eines solchen Effektors in Komplex mit Chitin bis zu einer Auflösung von 1,60 Å bestimmt. Die Kristallstruktur zeigt ein bis dato unentdecktes LysM Dimer, welches die gegenwärtig höchste bekannteste Affinität für Chitin aufweist, unmissverständlich höher als der zelluläre Chitin Rezeptor. Weitere Experimente zum Thema viral/humanpathogen gestörter Zerebral-Metabolismus sind in Arbeit.