Hintergrund: Erwerbsarbeit ist eine zentrale Ressource für gesellschaftliche Teilhabe. Sie gewährleistet Einkommen und materielle Sicherheit, unterstützt eine unabhängige Lebensführung und der Aufbau von Rentenansprüchen reduziert das Risiko von Altersarmut. Wenn Menschen chronisch erkranken, z. B. aufgrund einer psychischen Erkrankung, kann dies den Verbleib am Arbeitsplatz und die weitere Erwerbsbeteiligung in Frage stellen. Das Spektrum von Unterstützungsleistungen, die das deutsche Sozialrecht vorsieht, um einen gesundheitsbedingten Erwerbsausstieg zu vermeiden, ist breit (z. B. medizinische Rehabilitation, Umschulungen oder Arbeitsplatzanpassungen). Häufig werden mehrere dieser Leistungen benötigt, um die Rückkehr oder den Verbleib in Arbeit zu erreichen. Dabei können mit der Rentenversicherung, den Jobcentern, der Agentur für Arbeit, den Sozialhilfeträgern und den Krankenversicherungen verschiedene Leistungsträger involviert sein. Auch Arbeitgeber, Betriebsärzte, Hausärzte oder Psychotherapeuten sind wichtige Akteure. Dies ist für die betroffenen Personen nicht selten eine enorme Vernetzungsaufgabe. Oft ist zudem nicht ersichtlich, an wen sich die Personen für die Beantragung von Leistungen wenden müssen.Um diese Herausforderungen zu bewältigen, wurden in den vergangenen Jahren koordinierende und begleitende Interventionen vorgeschlagen und implementiert. In unserem Forschungsvorhaben greifen wir diese Ansätze auf. Im Rahmen des Bundesförderprogramms rehapro entwickeln und erproben wir ein Fallmanagement für Menschen, die ein hohes Risiko haben, zukünftig eine Erwerbsminderungsrente zu beziehen. Wir werden diese Personen anhand administrativer Daten der Deutschen Rentenversicherung Nord identifizieren. Dazu werden diese Daten zu einem Risikoindexwert aggregiert. Personen mit hohen Risikoindexwerten (mindestens 60 Punkte) werden durch die Deutsche Rentenversicherung Nord angeschrieben und ihnen wird eine telefonische Beratung mit einem externen Fallmanagementanbieter angeboten. Daran können sich ein persönliches Gespräch zur Klärung des Bedarfs und ein individuelles, bedarfsorientiertes Fallmanagement anschließen. Wir erwarten von dieser komplexen Intervention, dass Menschen mit einem hohen Erwerbsminderungsrisiko die zur Sicherung ihrer Erwerbsfähigkeit und beruflichen Eingliederung erforderliche, passgenaue Unterstützung erhalten.
Methoden: Das Fallmanagement der Intervention wurde im ersten Projektjahr in mehreren Workshops mit allen Akteuren gemeinsam erarbeitet und schriftliche Leitfäden zur Umsetzung erstellt. Während der Pilotierung erfolgte eine umfangreiche Prozessevaluation, die die Zielgruppenerreichung, die erbrachte Behandlungsdosis und die wahrgenommene Behandlungsdosis beschrieben. Die Studie, die die Wirksamkeit der multimodalen Teilhabestrategie AktiFAME überprüft, wird als randomisierte kontrollierte Studie durchgeführt.Nach der Identifizierung der Zielgruppe durch ein Screening administrativer Daten werden Personen mit hohem Erwerbsminderungsrisiko zufällig einer Interventionsgruppe oder einer Kontrollgruppe zugewiesen. Nur die Interventionsgruppe wird über die Möglichkeit des Fallmanagements informiert. Die randomisierte kontrollierte Studie wird durch eine Beobachtungsstudie ergänzt, die ausschließlich die am Fallmanagement teilnehmenden Personen einschließt und die Durchführung des Fallmanagements begleitet. Unser primärer Endpunkt ist die Inanspruchnahme von Teilhabeleistungen (medizinische Rehabilitation oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) im Jahr nach randomisierter Zuweisung. Unsere sekundären Zielkriterien sind versicherungspflichtige Beschäftigung, Arbeitslosengeldbezug, Krankengeldbezug sowie Erwerbsminderungsrenten ein Jahr nach randomisierter Zuweisung. Tertiäre Zielkriterien sind selbst berichtete Indikatoren für Gesundheit und Teilhabe.